Zuckerguss (German Edition)
Irrenhaus gelandet sein musste.
Zum Glück blieb mir ein Zusammentreffen mit meinem Vater erspart. Er musste zu einem kurzfristig anberaumten Treffen der Bäckerinnung. Mein Bedarf an weiteren Vorwürfen und eisigen Blicken war nach der gestrigen Auseinandersetzung ohnehin reichlich gedeckt.
Die Türglocke ertönt. Zwei Frauen, die in etwa so alt wie meine Mutter sind, treten in den Laden. Beide tragen edle Hosenanzüge in seltsamen Bonbontönen und eine Spur zu viel Make-up. Schnatternd kommen sie auf mich zu.
»Miriam, deine Mutter hat uns verraten, dass du wieder in Wismar bist«, platzt die kleinere von beiden ohne Umschweife heraus.
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass du mit David Vahrenberg zusammen bist«, schwatzt die andere Frau aufgeregt weiter.
Das vorbereitete Lächeln entgleist mir. »Oh.«
»Wirst du bald mit ihm zusammenziehen?«
»Gibt es bereits Heiratspläne?«
»Weiß er, dass du schwanger bist?«
»Wird es ein Junge oder ein Mädchen?«
Mir fallen beinahe die Augen aus dem Kopf. »Wie bi-bitte?«, stottere ich. Ich muss mich verhört haben.
»Im Bridgeklub geht das Gerücht um, dass du von David schwanger und deshalb zurückgekommen bist«, klärt mich die Frau in dem pinkfarbenen Anzug auf. Sie beugt sich über den Ladentisch. »Wann ist es denn so weit?«
»WAS?« Ich bin wie vor den Kopf gestoßen.
»Sie ist wahrscheinlich noch zu geschockt.« Frau Himmelblau tauscht einen verständnisvollen Blick mit ihrer Bekannten.
Ich massiere mir mit meinen Händen die Schläfen, das Hämmern hinter meiner Stirn wird sekündlich schlimmer. Jeden Augenblick rechne ich damit, dass mein Kopf in tausend Stücke zerbirst. Der bittere Geschmack von Magensäure breitet sich in meinem Mund aus. Ich fürchte, mich gleich übergeben zu müssen.
»Kindchen, ist dir schlecht?«
»Oh ja, die Übelkeit in den Anfangsmonaten …«
Ich starre die beiden mit offenem Mund an. Nach der Enthüllung meiner »Beziehung zu David« war ich auf Kleinstadttratsch vorbereitet, aber so schnell und mit solch einem dreisten Verhalten habe ich nicht gerechnet. Das ist definitiv ein ganz neues Level.
Wenn diese beiden Grazien nun glauben, dass ich sie mit intimen Details füttere, dann haben sie sich geschnitten. Wo ich genau weiß, dass Unwissenheit sie am meisten wurmt. Die Sache mit dem Baby geht jedoch zu weit. Aller Welt eine nicht vorhandene Liebesbeziehung vorzugaukeln ist eine Sache, schwanger zu sein eine andere.
»Wer hat Ihnen denn diesen Bären aufgebunden?«, erkundige ich mich gespielt erheitert und unterdrücke ein Lachen.
Die Damen wechseln einen unsicheren Blick miteinander. »Du bist nicht schwanger?«, quiekt die Dame in dem himmelblauen Anzug und strafft unweigerlich die Schultern. »Ich habe Friederike gleich gesagt, dass ich mir das nicht vorstellen kann.«
Ihre Freundin nickt zustimmend. »Friederike ist eine fürchterliche Klatschtante«, gesteht sie angewidert.
Ich muss mir heftig auf die Lippen beißen, um nicht loszuprusten.
»Als ich sie gefragt habe, woher sie das wisse, hat sie nur rätselhaft mit den Schultern gezuckt. Karin, eine Bekannte von uns, meinte anschließend zu mir, dass deine Mutter lediglich vage angedeutet hätte, es würde bald eine Hochzeit ins Haus stehen.«
»Tatsächlich?«, zwitschere ich, die Hände unter der Ladentheke zu Fäusten geballt. Ich werde mit meiner Mutter ein ernsthaftes Wort reden müssen.
»Hat er dich schon gefragt?« Die Frau mit dem pinken Hosenanzug nagt gespannt an ihrer Unterlippe.
Ich winke die beiden dichter zu mir heran. »Das geht Sie beide einen feuchten Dreck an«, bemerke ich liebreizend, mit den Wimpern klimpernd.
Beide ziehen scharf die Luft ein.
Als die Ladenglocke läutet, fahren sie erschrocken zusammen.
Alex, der mit einer leeren Kiepe in der Tür steht, guckt zuerst mich und dann die beiden Grazien aus Mutters Bridgeklub verdattert an. Die zwei Klatschtanten erröten leicht und verabschieden sich hastig.
Er runzelt die Stirn. »Was war denn das?«
»Die Boulevardpresse.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Keineswegs.«
Alex holt scheppernd die restlichen Tragekörbe herein. Fein säuberlich stapelt er sie an der hinteren Seite des Ladentisches. Als er damit fertig ist, wendet er sich mir zu. »Was machst du eigentlich hier? Und wo steckt Regine?«, fragt er brummig.
»Regine ist beim Arzt, wie du sicher weißt.« Ich gucke ihn bedeutungsvoll an. »Ich habe ihre Schicht übernommen. Du warst ja mit Auslieferungen
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