Zuckerguss (German Edition)
Gesicht. »Ich habe bloß recht.«
Ich tippe mir an die Stirn.
21
»Da bist du ja, Schatz. Ich muss mit dir reden.« Meine Mutter schießt aus dem Sessel hervor und baut sich vor mir auf. Nur mit Mühe unterdrücke ich einen tiefen Seufzer. So viel zu meinem Plan, ungesehen in mein Zimmer zu verschwinden. In den letzten fünf Jahren habe ich offenbar verdrängt, dass meine Mutter der beste Wachhund der Welt ist. Ich schwöre, sie hört sogar die Flöhe husten.
»Können wir das auf morgen verschieben? Ich bin hundemüde, Mama«, erwidere ich matt und gähne wie zur Bestätigung.
Das Gespräch mit Lissy hat mich geschafft, in vielerlei Hinsicht. Selbst auf dem Nachhauseweg wurde meine Freundin nicht müde zu erwähnen, dass ich an David mehr Interesse hätte, als ich zugeben will. Ich schwieg. Manchmal war es besser, Lissy ihre Monologe führen zu lassen. Sie erwartete auch gar keine Antwort von mir. Ihrer Meinung nach waren meine Gefühle für David sowieso nicht von der Hand zu weisen. Glücklicherweise trennten sich unsere Wege in der Bliedenstraße, ansonsten hätte ich mir womöglich noch anhören dürfen, dass ich in David verliebt sei. Verliebt! Das muss man sich mal vorstellen!
Lissy ist manchmal unmöglich. So groß die Wiedersehensfreude ist, auf diesen Gefühlsschwachsinn hätte ich gut und gerne verzichten können. Allein bei dem Gedanken, dass ich mich von ihr habe bequatschen lassen, ein paar Tage länger zu bleiben (ganz klar, plötzlicher Gehirnabsturz), um die verlorene Zeit nachzuholen, wird mir schlecht. Ich kann mir denken, was ich mir von früh bis spät von ihr anhören darf. Das wird ein Spaß.
»Was hältst du davon?« Mama sieht mich auffordernd an, offensichtlich wartet sie auf eine Antwort.
»Wovon?«
Sie schüttelt missbilligend den Kopf. »Hast du wieder nicht zugehört?«
Ähm, nö? Wahrscheinlich auch besser, so aufgekratzt, wie meine Mutter plötzlich guckt.
»Dein Vater und ich würden uns sehr freuen, wenn du unseren zukünftigen Schwiegersohn morgen Abend zum Essen mitbringst.«
Entsetzt starre ich meine Mutter an. »Warum?«, ist alles, was mir dazu einfällt. Ich bin kurz davor zusammenzubrechen. Es kann sich nur um einen Scherz handeln. Und damit meine ich nicht, dass sie David bereits als Schwiegersohn bezeichnet.
Mama lächelt nachsichtig. »Wir möchten David besser kennenlernen, das ist doch verständlich.«
»Also eigentlich«, setze ich an und verstumme augenblicklich, als ich den ärgerlichen Blick meiner Mutter wahrnehme.
»Miriam, jetzt sei bitte nicht albern. Wir blamieren dich schon nicht!«
Da bin ich mir nicht so sicher!, möchte ich widersprechen. Vor meinem inneren Auge sehe ich David bereits die tausend Familienalben wälzen, während meine Mutter die Fotos mit peinlichen Anekdoten kommentiert, die ihrer Meinung nach so schrecklich amüsant sind. Haha, ich hau mir auf die Schenkel vor Lachen. Gleichzeitig wird mein Vater David aushorchen wie bei einem Bewerbungsgespräch und sich am Ende fragen, was jemand wie David an mir bloß findet. Nein, das werde ich mir unter gar keinen Umständen antun! No way.
»Weißt du Mama, David und ich … also David hat …« Ich suche fieberhaft nach Worten, wie ich meiner Mutter am schonendsten beibringen kann, dass das mit Hochzeit und Enkelkindern leider vorerst nichts wird. Weil ich nämlich in Wahrheit nach wie vor Single bin.
Oje, oje!
Meine Mutter trommelt mit den Fingern ungeduldig gegen das Treppengeländer. »Miriam, hat es dir die Sprache verschlagen?«
»Ja, ich meine, nein.« Ich höre, wie meine Mutter tief Luft holt, der Geduldsfaden kurz vorm Zerreißen. Verunsichert starre ich auf meine Schuhspitzen, als ob dort die Antwort liegen würde. »Weißt du, Mama, ich glaube nicht, dass David kommen wird«, beginne ich zögerlich, meine Stimme ist jetzt nur noch ein Flüstern.
Sie runzelt die Stirn. »Wie meinst du das? Habt ihr euch gestritten?«
»Nein, aber wir –«
»Dann sehe ich keinen Grund, wieso David nicht kommen sollte«, unterbricht sie mich in einem Tonfall, der keine Widerrede duldet. »Wirklich, Miriam, du machst aus einem simplen Abendessen eine Staatsaffäre!«
»David muss bestimmt arbeiten«, werfe ich verzweifelt ein, weil ich merke, wie mir die Felle entgleiten.
» Schatz « – meine Mutter schlägt den Ton einer Kindergärtnerin an –, »falls David arbeiten sollte, was ich mir an einem Sonntagabend nicht vorstellen kann, dann muss er trotzdem etwas essen. Ich bin mir
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