Zuckerguss und Liebeslieder Roman
zweiwöchige Pauschalreise nach Barbados anzutreten, alles inklusive, und am Strand zu heiraten. Wir haben uns für Barbados entschieden.«
»Verstehe.«
»Es ist natürlich schade, dass ihr beide nicht dabei sein könnt. Aber wir machen jede Menge Fotos«, sagt er fröhlich. »Na, wie dem auch sei, könntest du Teresa wohl Bescheid sagen?«
»Nein.«
»Es wäre so viel besser, wenn es von dir käme«, sagt er, schlagartig ernst.
»Ich wüsste nicht, wieso. Außerdem, solltest du es ihr nicht lieber bald sagen - bevor sie bei euch einzieht?«
»O nein. Das hat sich wieder geändert. Sie bleibt jetzt doch in ihrem Haus. Sie sagt, Richard wird sie in einem Umzugskarton aus dem ehelichen Heim tragen müssen.«
»Ich dachte, alles wäre ganz zivilisiert und einvernehmlich geregelt worden?«
»War es auch. Dann hat Stephen mit ihr geredet. Sie war gerade hier, als er dein Zeug in der Garage abgeladen hat. Seitdem hat sie es sich anders überlegt. Er hat ihr abgeraten, das Haus zu verlassen, weil sich Richard sonst am Ende hineinschleicht und die Schlösser austauscht. Sie bestellt jetzt alle ihre Einkäufe über die Website von Tesco, und ich gehe am Wochenende mit den Jungs schwimmen.«
»Wie lange war Stephen denn bei euch?«, frage ich, einigermaßen verwirrt.
»Ach, so ungefähr sechs Stunden. Wir haben alle zusammen zu Abend gegessen, und er hat uns von den Höhen und Tiefen eurer Beziehung berichtet.« Dad räuspert sich erneut. »Also, dann erzählst du es Teresa«, sagt er hoffnungsvoll.
Ich bin noch damit beschäftigt, das alles zu verdauen. »Warum soll ich es ihr erzählen?«
»Du bist ihre Schwester. Bitte.«
In den vergangenen Monaten hat sich bei mir einiges verändert, und nicht einmal von Dad lasse ich mich mehr so leicht beschwatzen wie früher.
»Ich finde, das ist nun wirklich deine Aufgabe.«
»Da hast du recht. Ist sie. Aber du bekommst das so viel besser hin. Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann, Alice.«
»Ich wollte nicht -«
»Lass mich wissen, wie es gelaufen ist. Ich muss jetzt Schluss machen, der Anruf kostet ja ein Heidengeld. Pass gut auf dich auf und vergiss nicht, dich immer mit deiner Sonnenlotion einzuschmieren. Tschühüss.«
Danach kann ich nicht mehr einschlafen. Ich habe eine Überdosis wahllos zusammengewürfelter Sorgen im Kopf. In unseren fast vier gemeinsamen Jahren hat Stephen das eine oder andere mitbekommen, was ich sonst niemandem anvertraut hätte. Er weiß alles über den Kredit, mit dem ich meinem Damenbart per Elektrolyse ein für alle Mal den Garaus gemacht habe. Er weiß, dass ich in meiner Zeit bei der Kingstoner Gemeindeverwaltung mal mit dem Leiter der Abteilung für Parkkrallen ausgegangen bin und … NEIN! Er hat ihnen doch nicht etwa mein bestgehütetes Geheimnis erzählt: nämlich dass ich als Kind die zweite Suzi Quatro werden wollte und immer »Devil Gate Drive« mit einer dicken Schicht Lippenstift von Mum vor dem Badezimmerspiegel eingeübt habe?
Nachdem ich mich eine Stunde lang sinnlos hin und her gewälzt habe, stehe ich auf und bügle meine Shorts und das Kuh-T-Shirt. Das trage ich praktisch Tag und Nacht, um den anderen ein leuchtendes Vorbild zu sein. Dann mache ich mir eine Tasse Kaffee und begebe mich zu meiner allmorgendlichen Meditationssitzung ins Wohnzimmer, bekomme aber die Vorstellung, bald wieder in New Malden zu hocken, nicht aus dem Kopf. Ich lasse den Blick durch das Cottage schweifen. Die CDs sind in alphabetischer Reihenfolge geordnet, der Kamin ist peinlich sauber gefegt und der ganze Raum bis ins letzte Eck penibel abgestaubt. Meine Gedanken wandern zurück zum Tag meiner Ankunft. Unglaublich,
aber nach nicht mal einem halben Jahr fühle ich mich hier rundum zu Hause. Nicht zu fassen, dass ich in einer Woche von hier weg muss. Die Konzertvorbereitungen haben mich offenbar schwer gestresst, denn an diesem Punkt breche ich in Tränen aus. Immer alles von der positiven Seite sehen, befehle ich mir: Schon bald werde ich wieder in New Malden sein, bei Dad und Valerie das hintere Gästezimmer beziehen und mein Hab und Gut unter mir in der Garage mehr oder weniger wohl verwahrt wissen. Ich breche erneut in Tränen aus.
Um mich ein bisschen aufzuheitern, gehe ich Mary Lou auf der Weide besuchen. Bald wird sie für die Dauer des Winters wieder in der Scheune sein. Sie schaut vom anderen Ende der Weide mit ihren traurigen Augen zu mir her und lässt den Kopf wieder hängen, um weiter Gras zu mampfen. Selbst
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