Zuckerguss und Liebeslieder Roman
zum Benefizkonzert für Mary Lou - und noch mal zwei Tage, dann läuft mein Visum ab. Wie jeden Morgen sitze ich am Küchentisch und mache Häkchen
auf meiner WICHTIG-Liste, die trotzdem nie kürzer wird. Heute sind sage und schreibe drei Seiten voller Posten abzuhaken.
Keine Ahnung, was ich ohne Gerry angefangen hätte. Seit er weiß, dass ich mit Stephen Schluss gemacht habe, ist er fürsorglicher denn je. In der vorigen Woche ist er sogar mit mir Kleider einkaufen gegangen. »Letzte Woche hatte ich einen Supergewinn - ich meine, einen Supergeschäftsabschluss«, sagte er mit einem prüfenden Blick auf meinen Schlabberlook aus Shorts und T-Shirt. »Ich wüsste nicht, worauf ich ihn lieber verwenden würde.«
Zwischenzeitlich kreuzt er Tag für Tag pünktlich um zehn Uhr vormittags bei mir im Cottage auf.
»Die gute Nachricht ist«, eröffne ich ihm an diesem Vormittag, »dass wir schon zweihundertfünfzig Eintrittskarten verkauft haben. Und Heidi wird mit ihrer Tombola noch mal so viel einnehmen. Die schlechte Nachricht ist, dass das Konzert selbst ein absoluter Mega-GAU wird.«
»Hmm«, macht Gerry nachdenklich. »Zweihundertfünfzig Eintrittskarten. Ich dachte, es würde sich eher im kleinen Rahmen halten.« Komisch, er klingt fast ein bisschen vergrätzt. »Das ist doch bestimmt mehr Geld, als ihr für Mary Lou braucht?«
»O ja. Die Tierarztrechnungen können wir allein schon von den Einnahmen aus dem Getränke- und Imbissverkauf begleichen. Dann bleibt uns immer noch ein Riesenüberschuss für Caseys Opa. Den kann er gut für die Farm gebrauchen. Sofern ich ihn nicht für die Arztrechnungen in Anspruch nehmen muss, die fällig werden, sobald die zornige Zuschauermeute sich auf mich stürzt.«
Bisher ist es mir nicht gelungen, irgendwelche weiteren Nummern aufzutreiben, bis auf den Barnsleyer Kindergartenchor,
der eventuell ein Lied singen wird, sofern der Auftritt nicht mit ihrer Schlafenszeit kollidiert.
Gerry geht auf meine letzte Bemerkung nicht ein. »Aber das Geld ist nur für Mary Lou?«
»Nein. Stephen hat vor seiner Abreise noch den Entwurf für die Stiftung aufgesetzt, und zwar so, dass das verfügbare Kapital zugunsten von Mary Lou und/oder jedem anderen Tier auf der Farm verwendet werden kann. Er ist absolut wasserdicht.«
(Stephen war heilfroh, die Spritzgusstülle für ein Weilchen beiseitelegen zu können und sich zur Abwechslung mit Fragen zur Vermögensverwaltung im Agrarrecht zu beschäftigen. »Sehr entspannend«, sagte er und schlug eine neue Seite seines Din-A-4-Blocks auf.)
»Caseys Opa kann das Geld für alles verwenden, was mit der Farm zusammenhängt«, fahre ich fort. »Ich vermute, er hat auch noch andere Rechnungen zu bezahlen.«
»Ich verstehe«, sagt Gerry gedehnt. Er lehnt sich zurück. »An deiner Stelle würde ich mich vorsehen, Alice.«
»Mich vorsehen?«
»Das hier ist ein Dorf. Wenn Caseys Opa plötzlich zu einem Vermögen kommt, sehe ich schon manche die Augenbrauen hochziehen. Die Leute könnten neidisch werden. Er verdient ja auch immer noch ganz hübsch mit seinem Maislabyrinth, vergiss das nicht.«
»Aha.« Irgendwie will es mir nicht recht einleuchten, dass ein Maislabyrinth ein einträgliches Geschäft sein soll. Ich lutsche am Ende meines Tintenkugelschreibers herum. »An dem, was die Leute so reden, kann ich wohl nicht viel ändern.«
»Sag nicht, dass ich dich nicht gewarnt habe.« Er steht auf. Ohne seinen Doughnut angerührt zu haben.
»Du gehst doch nicht schon?«, frage ich erstaunt. Normalerweise fängt er um die Zeit an, mein Knie zu begrapschen.
»Doch«, sagt er knapp. »Hab Geschäftliches zu erledigen. Bis später, Alice.«
Und weg ist er, ohne jeden verbalen Versuch, mich ins Bett zu kriegen - das war noch nie da. Vielleicht hat er den Kopf voll mit einem seiner großen Geschäftsabschlüsse. Ich widme mich wieder meiner Liste für die letzte Planungsbesprechung des Organisationskomitees, die heute Abend in der Turnhalle der Highschool stattfindet. Bei dieser Besprechung gilt es sämtliche wichtigen Entscheidungen und offenen Fragen abzuklären, weswegen ich alle daran erinnert habe, dass Anwesenheitspflicht herrscht. Wyatt habe ich natürlich außen vor gelassen - tief in meinem Inneren bin ich wegen seiner Bemerkung über das Turnhallen-Karaoke immer noch ein bisschen eingeschnappt, auch wenn er damit offenbar geradezu gespenstisch richtiglag.
Ich finde mich frühzeitig bei der Turnhalle ein. Heidi und Madison sind schon da, ganz ins
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