Zuckerleben: Roman (German Edition)
sehr glücklich und zufrieden.
»Wenn ich mal sterbe, möchte ich auch eine Alkoholbestattung haben!«, verkündet Ilytsch, seinen Blick auf den Zuckerfabrikdirektor im Schnapstank gerichtet. »Man kann da ja auch frische Schnittblumen reinwerfen und die welken nicht. Und man bleibt schön und frisch in der Erinnerung seiner Freunde und Angehörigen, die einen auch zwanzig Jahre später anschauen können, ohne sich übergeben zu müssen … Und die Urenkel, die können auch jederzeit sehen, wie ihr Urgroßvater mal ausgesehen hat. Ich sehe da nur Vorteile. Nu hai davai , Prost!«
Die Männer lachen, stoßen an und trinken; Tutunaru ergreift das Wort: »Wenn wir es schaffen würden, Hlebnik mit dem Bulibascha von Otaci in übernatürlichen Kontakt zu bringen. Na ja, wie soll ich das erklären …«
»Du meinst, wenn Hlebnik dem Bulibascha im Traum erscheinen könnte und ihm ein bisschen Angst einjagen würde, damit er uns die Zuckerfabrik wieder zurückgibt?«
»Ja, klingt weit hergeholt und schwammig, ich weiß, aber –«
»Du meinst, wir sollen den Bulibascha von Otaci verhexen?«
»Ja.«
Wladimir Pawlowitsch nimmt einen Schluck aus seiner Samagon-Tasse.
»Wieso eigentlich nicht? Also, ich weiß ja nicht, wie’s bei euch mit dem Italien-Plan noch aussieht, aber ich für meinen Teil habe auf jeden Fall noch vor, in Hlebniks Zuckerfabrik ein sozialistisches Schnapswerk aufzubauen. Und ich will den Rest von den 40 Tonnen Zucker, die Schnapsbrennanlage in Hlebniks Tunnel und seine Datscha wiederhaben!«
»Und die Wertgegenstände?«
»Die Wertgegenstände würd ich vergessen, die wird der Bulibascha schon längst verhökert haben an einen seiner Hehler-Kumpanen in Mogiljow-Podolski. Ihr könntet aber beim Bulibascha Hlebniks Vermögen reklamieren. Dann habt ihr genug Geld, um nach Italien zu kommen, euch dort die Staatsbürgerschaften zu besorgen, diese Speditionsfirma zu gründen und wie normale Menschen zu leben. Und was haben wir denn bitte schön zu verlieren? Gar nichts!«
»Die Frage ist nur, wer könnte so was machen?«, gibt Filimon der Schweißer zu bedenken.
»Was ist eigentlich mit deiner Großtante Lidia Iwanowna? Die hat doch so was sicher drauf, Pitirim. Eine kleine Verzauberung des Bulibaschas von Otaci, das wär doch gelacht für sie … Lass uns gleich jetzt rüberfahren zu ihr!«, schlägt der Held der sozialistischen Arbeit Wladimir Pawlowitsch Pușcaș vor.
»Wär’s nicht besser morgen?«
»Wieso besser morgen? Morgen hat sie bestimmt wieder Hunderte von Kunden. Und unser Fall ist dringend: Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte. Die 40 Liter Schnaps nehmen wir mit, als Gastgeschenk und Opfergabe. Filimon, füll bitte den Samagon in die zwei 20-Liter-Benzinkanister um, wir fahren zu Lidia Iwanowna!«
Filimon der Schweißer schreitet sofort zur Tat, sichtlich erleichtert, dass ein Entschluss gefasst wurde und dass nun der Aktionsplan steht.
Pitirim füllt sicherheitshalber noch ein 3-Liter-Einmachglas mit dem Samagon aus Zuckerfabrikdirektor Hlebniks Alkoholbottich und deckt den Direktor anschließend wieder mit dem Banner zu. Der Held der sozialistischen Arbeit zieht sich währenddessen um, und Felix Edmundowitsch der Fuchs trottet an der Hütte und an den geschäftigen Männern vorbei, bleibt kurz stehen, hüstelt leicht und geht dann wieder seiner Wege, Richtung Lagerfeuer, wo sich Nadja Pilipciuc und Roma Flocosu miteinander unterhalten.
»Wie kommt Felix Edmundowitsch denn hierher?«, wundert sich Tutunaru mit dem 3-Liter-Einmachglas Hlebnik-Samagon in der Hand.
»Den Felix Edmundowitsch haben wir im Seitenwagen deines Minsk-Motorrades mitgenommen. Wir lassen doch keinen von den Unsrigen zurück!«, erklärt Ilytsch feierlich, knöpft sein Kronstadt-Kurort-Sommerhemd zu und kämmt sich die feuchten Haare nach hinten. »Hier hat er genug Platz zum Auslaufen. Und kann im Wald nach Herzenslust Viecher jagen. Und vielleicht läuft ihm da auch mal eine hübsche Füchsin über den Weg. Da muss der Felix Edmundowitsch nicht ständig alleinstehend sein …«
Tutunaru nimmt einen letzten Zug von seiner Kosmos und ruft Ilytschs Adjutanten, der fleißig mit den Benzin-Kanistern hantiert, zu: »Wenn du alte Fotos dabeihast, Filimon, nimm sie bitte mit, für die Lidia Iwanowna zum Üben … Die von Ilytsch und mir hat sie schon alle durch.«
Lidia Iwanownas mildes Lächeln
Die pensionierte Kommissarin für Lebensmittelindustrie des Rayonalen Sowjets Nord der
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