Zuckerleben: Roman (German Edition)
sozialistischen Arbeit Wladimir Pawlowitsch, der vor der Hütte seine Wasser-Brennnessel-Prozeduren vollzieht. Der Schwarzbrenner-Autodidakt Filimon der Schweißer raucht seine Weißmeerkanal-Papirossa, ohne ein Wort zu sagen. Und Tutunaru, Tutunaru versucht, sich in den Zuckerfabrikdirektor hineinzuversetzen.
Vor sieben Jahren, 1984 also, wird Wadim Wladimirowitsch Hlebnik Direktor der rayonalen Zuckerfabrik von Dondușeni. Hlebnik baut den Tunnel zwischen seiner Staatsdatscha und der Zuckerfabrik. Und im Tunnel selbst eine illegale Schnapsbrennanlage biblischen Ausmaßes. Die ältesten Nüchternheit-und-Kultur -Artikel, die Tutunaru in Hlebniks Tunnel gefunden hat, waren die Bogrinowitsch-Beiträge aus dem Jahr 1985. Wenn man also den Bau von Hlebniks Tunnel nach den Artikeln des Nüchternheit-und-Kultur -Journalisten Bogrinowitsch datiert, müsste Hlebnik demnach den Tunnel etwa sechs oder zumindest fünf Jahre vor seinem Tod gebaut haben. Wozu? Sicherlich, um Zucker zu Schnaps zu verarbeiten und den Schnaps auf dem Schwarzmarkt profitabel zu realisieren. Diese These wird auch von dem Umstand bekräftigt, dass einerseits die Gorbatschow’sche Prohibition in diese Periode fällt und dass andererseits Hlebnik damals als Vorsitzender des Nüchternheitskomitees des Rayons Dondușeni der Moldawischen SSR fungiert hat – ein gutes Alibi für seine Schwarzbrennerei. Nächste Frage: Was hat er mit dem Geld gemacht? Mit dem Geld, das er in mindestens fünf Jahren Schnapsbrennen in großem Stil erwirtschaftet hat?
Hätte Hlebnik seinen selbst für einen Nomenklaturisten seiner Klasse außergewöhnlichen Wohlstand offen zur Schau gestellt, wäre er bestimmt aufgeflogen. Er muss also sein Schnaps-Vermögen versteckt haben.
Was passierte damit, als er den Entschluss fasste, nach Amerika auszuwandern? Wenn er es in Form von Geld oder Wertgegenständen versteckt hielt, wollte er es bestimmt mitnehmen. Und da hat womöglich der Bulibascha von Otaci Wind davon bekommen und beschlossen, sich Hlebniks Vermögen unter den Nagel zu reißen und Hlebnik zu beseitigen.
Das ist der Schlüsselpunkt, um den Bulibascha zu knacken: Hlebniks Leiche.
Fragt sich nur, wie …
Der Held der sozialistischen Arbeit Wladimir Pawlowitsch Pușcaș beendet seine Wasser-Brennnessel-Prozeduren und humpelt langsam mit jeweils einem Eimer in der Hand zum Schuppen zurück. Ilytsch sieht mitgenommen, jedoch munter aus, trotz des blauen Auges, das ihm einer von Bulibaschas Männern während der Erstürmung der Zuckerfabrik verpasst hat, nachdem der Held der sozialistischen Arbeit mit seinem Schraubenzieher mehrmals in dessen Wade eingestochen hatte.
»40 Liter Samagon sind alles, was uns noch bleibt, Pitirim, bestenfalls noch 42 bis 43 Liter. Aber dann sitzen wir wirklich auf dem Trockenen. Und dann, dann ist nichts mehr da. Außer wir verwenden noch den Samagon aus dem Alkoholbottich mit Hlebnik …«, gibt Ilytsch zu bedenken, nickt in Richtung des Zuckerfabrikdirektors im Samagon-Tank und stellt die leeren Wassereimer auf dem Boden ab, während Filimon dem Helden der sozialistischen Arbeit einen kaftanartigen Bademantel über die nassen Schultern wirft.
»Wir haben noch den Zuckerfabrikdirektor Hlebnik selbst hier im Alkoholtank …«, korrigiert Tutunaru den Helden der sozialistischen Arbeit.
Verwundert beäugen Ilytsch und Filimon Tutunaru.
»Du willst doch nicht Hlebniks Leiche verkaufen. Oder?«
»Warum denn nicht? Die Fleischpreise steigen.« Pitirim lächelt, winkt ab und teilt Ilytsch und Filimon dem Schweißer seine jüngsten Hlebnik-Überlegungen mit. Nämlich dass Hlebnik der Schlüssel ist, um den Bulibascha auszustechen.
»Abergläubisch ist er schon, der Bulibascha von Otaci, und das nicht wenig …«, bestätigt der Held der sozialistischen Arbeit Wladimir Pawlowitsch Pușcaș und schenkt in drei Aluminiumtassen jeweils etwas Samagon ein.
»Ich hab gehört, bis jetzt hat der Tudorel-Deomid keine einzige von Kaspirowskijs Hypnose-Sessionen im Fernsehen verpasst …«, ergänzt Ilytsch und händigt die Samagon-Tassen an seinen Adjutanten und an Tutunaru aus. Pitirim nimmt mit Dank seine Tasse entgegen und zündet sich eine Kosmos an. Hlebniks Arme und seine Cowboystiefel bewegen sich ganz leicht im Alkoholtank, als würde der Zuckerfabrikdirektor durch den Alkohol schweben und Tutunaru schüchtern zuwinken. So wie er da im zittrigen Licht der Parastas-Kerze im Samagon-Bottich treibt, wirkt Zuckerfabrikdirektor Hlebnik
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