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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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Aufschrift MOLDZUCKER angebracht ist. Die Zuckersäcke stapeln sich bis an die Decke und formen ein konzentrisches Labyrinth, in dem der Fuchs mit Tutunaru problemlos Fangen spielen könnte, wenn ihm danach wäre. Der Fuchs rennt jedoch, von den 40   Tonnen Zucker vollkommen unbeeindruckt, weiter und führt den moldawischen Spekulanten Pitirim Tutunaru über einen Schacht direkt in die Abfüllhalle 2 der Zuckerfabrik von Dondușeni.
    Von dort aus sieht Tutunaru auf der Plattform von Ebene 3 den Helden der sozialistischen Arbeit Wladimir Pawlowitsch, genannt Ilytsch, mit einer Schlinge um den Hals. Ilytsch steht genau dort, wo Tutunaru während der Erstürmung der Zuckerfabrik sein Gedicht aus dem erbsengrünen 3-Kopeken-Heft rezitiert hat. Der Fuchs betrachtet Ilytsch aufmerksam, die Doktorenwurst immer noch in seinem Maul tragend. Rümpft ein wenig die Nase: Die Halle riecht nach einer Mischung aus muffigem Kaffee und Nagellackentferner. Ilytsch stürmt wie ein Olympionike auf das Geländer zu. Mit dem Strick um den Hals. Tutunaru schreit dem Helden der sozialistischen Arbeit etwas entgegen und gestikuliert dabei, als wollte er den Zuckerfabrikarbeiter bei seiner Aktion anfeuern. Ilytsch ist nur noch zwei Schritte vom Geländer entfernt. Vernimmt Tutunarus Rufe nicht. Den Rotfuchs mit der Doktorenwurst hat Ilytsch auch nicht bemerkt, er ist ganz auf seine Aufgabe konzentriert. Ilytsch springt mit leichtathletischer Leichtfüßigkeit auf das Geländer auf, mit beiden (dank der jüngsten Schuhlieferung beim UNIVERSAM von Dondușeni frisch beschuhten) Füßen, und hechtet mit sowjetischem Enthusiasmus, garniert mit einem gejaulten Schrei, in die Lüfte wie eine Tupolew 154, einer nicht rosigen Zukunft entgegen. Mit dem Kopf in der Schlinge fällt Ilytsch eine und dann eine weitere Ebene tiefer. Der Rotfuchs schaut Ilytsch hinterher; in seinen Augen ist für einen aufmerksamen Betrachter der fallende Zuckerfabrikarbeiter zu sehen, der, so scheint es, die Iris des Fuchses von oben nach unten fein säuberlich, wie mit einer andalusischen Rasierklinge, durchtrennt. Der Fuchs lässt die Doktorenwurst fallen. Der moldawische Spekulant Tutunaru beobachtet, wie sich das Seil um den Hals des Helden der sozialistischen Arbeit strafft, kurz nachdem dieser Ebene 1 passiert hat; der fettige Metallzylinder schwingt indes unter Ilytschs Last wie eine frisch dem Fluss entlockte Regenbogenforelle im Todestanz zwischen den schmierigen Gitterstäben der Plattform von Ebene 3 hin und her. Zwei Meter über dem Boden bremst der Strick Wladimir Pawlowitsch ab und schüttelt den zappelnden Zuckerfabrikarbeiter einige Male im Würgegriff hin und her. Der Held der sozialistischen Arbeit faucht dabei wie ein angriffslustiger Schwan, ringt rot angelaufen mit hervorstechenden Augen nach Sauerstoff und rudert mit seinen (dank der jüngsten Schuhlieferung beim UNIVERSAM von Dondușeni frisch beschuhten) Füßen energisch, als würde er in die Pedale eines unsichtbaren Einrades treten, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Dabei greift Ilytschs rechte Hand ein-zwei-dreimal am Seil vorbei, so, als wäre er sich noch unsicher, ob er sich am Strick hochziehen soll oder nicht.
    Tutunaru eilt zum Helden der sozialistischen Arbeit und atmet den muffigen Geruch des Fuchses ein. Im selben Augenblick reißt der Metallzylinder einen Teil der Plattform von Ebene 3 aus ihrer Verankerung heraus, beschreibt mit einem zischenden Pfeifen einen Bogen, wirft Ilytsch wie einen Palatschinken über dem Schutthaufen ab und landet selbst einen Augenblick später mit einer akustischen Kanonade auf dem Fabrikboden.
    Stille.
    Muffiger Geruch.
    Der Rotfuchs torkelt neugierig zu Ilytsch.
    Nass.
    Nass und kühl.
    Eine Flüssigkeit klatscht ihm ins Gesicht.
    Er fährt sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckt einen seltsamen Schnaps: stark gewürzt und absolut geschmacklos, zugleich auch von einer unglaublichen Reinheit, als hätte man den Schnaps durch den Lubjanka-Computer laufen lassen. Bizarr. Als Ilytsch die Augen aufmacht, blickt er einem angebissenen Stück Doktorenwurst entgegen, das über ihm an einer stark behaarten Fuchsschnauze herabhängt. Es mieft nach abgestandenem Kaffee und ein wenig auch nach Socken, die zu lange in Galoschen steckten. Ilytsch erkennt Felix Edmundowitsch. Und lächelt. Hinter dem Fuchs grinst ihn Chuck Norris an, außerdem sieht er einen Kanister mit der Aufschrift » A 96«.
    »Zu dämlich zum Sterben«, sagt Ilytsch zu Pitirim

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