Zuckerleben: Roman (German Edition)
Stimme von Padre Motadonna – »wohl den Zorn Gottes in Form von Pippos Selbstmord in ihrem Hotel am Wochenende der großen Berlusconi-Demonstration hervorgerufen hätte. Und wisst ihr, was? Ich glaube, der komische Priester hätte nichts gegen ein Schäferstündchen mit Monica einzuwenden gehabt, so als Abwechslung von den Ministranten.«
»Cristina!«
Das Mädchen grinst, in ihren hübschen Augen ist zu lesen: Ihr seid einfach zu feige, die Dinge beim Namen zu nennen, obwohl ihr wisst, dass ich recht habe!
Monica habe mithilfe ihrer Geliebten Francesca, der Rezeptionistin – Cristina hatte sie wiederholt mal innige, mal tröstende Zungenküsse austauschen sehen –, Pippos Leiche wieder ins Haus getragen und danach den Gast im Zimmer 7, einen hochrangigen serbischen Popen auf Reisen, gebeten, ihr zu helfen, den Selbstmörder Calabrese zu bestatten. Der Pope habe lange gezögert, dann aber doch zugesagt, gleichzeitig allerdings die Bedingung gestellt, dass Pippo Calabrese post mortem die Konfession wechseln müsse, weil er eben katholisch sei und der Pope keine Katholiken bestatten könne, nur orthodoxe Christen, am liebsten serbisch-orthodoxe. Durch ein Schlüsselloch habe die junge Italienerin im Keller den Beginn der Zeremonie beobachtet, infolge derer der tote Katholik Pippo zum toten Orthodoxen Dejan wurde.
Das Mädchen hat bereits den Verstand verloren …, geht es dem Moldawier immer wieder durch den Kopf.
»Und wozu das Ganze? Warum hat Monica nicht einfach die Polizei gerufen?«, fragt Angelo, der der Geschichte ebenfalls nicht recht glauben will.
Bevor sie eine Antwort geben kann, geht der Osteuropäer dazwischen und meint, dass es ein langer Tag gewesen sei und dass es ihnen allen guttäte, ins Bett zu gehen. Cristina sträubt sich dagegen. Sie spricht etwas von der Begräbniszeremonie, die der Pope und sein Helfer für Dejan Calabrese veranstalten würden und zu der sie alle gehen müssten, doch Tolyan Andreewitsch lässt nicht locker und besteht auf Einhaltung der Nachtruhe. Das Mädchen meint pampig, sie müsse erst mal ein Bad nehmen, um sich zu beruhigen, schnappt sich ein Handtuch, geht ins Badezimmer und knallt die Tür zu.
»Das sind Halluzinationen, mein Junge. Ein wenig Schlaf wird deiner Freundin ganz guttun, wirst sehen. Kein Grund zur Beunruhigung: In dem Alter haben Frauen solche Hirngespinste. Das ist ganz normal.«
Angelo nickt müde. Erschöpft breitet sich der junge Italiener auf seinem Bett aus, ohne sich auszuziehen, und schließt die Augen, um sich ein wenig zu entspannen. Angelo will warten, bis Cristina aus dem Bad zurückkommt, und mit ihr noch mal unter vier Augen sprechen. Doch kaum dass Angelo seine übermüdeten Lider geschlossen hat, schläft der Junge sofort ein.
Angelo träumt:
Ein junges Mädchen, das noch keine zwanzig ist, steht mit dem Rücken zu ihm. Es trägt ein weißes gesticktes Tuch aus Seide, das es von den Schultern bis über die Knöchel wie eine Woge aus warmem Wachs einhüllt. Auf seinem Hals erkennt Angelo vier Muttermale unterschiedlicher Größe, die zusammen das Kreuz des Südens bilden.
»Männer mögen Frauen nicht, die sie anhimmeln. Das ist eine Tatsache«, flüstert die junge Frau.
»Wer bist du?«
Das Mädchen lässt das Tuch aus Seide fallen. Und dreht sich um. Seine Mädchenbrüste verbreiten einen sommerlichen Granatapfelblüten-Duft. Ein zuckerfarbenes Madonnen-Medaillon über den Brüsten fügt sich zusammen mit den gepiercten Brustwarzen der jungen Frau zu einem gleichschenkeligen Dreieck. Angelo starrt genau in die Mitte des Dreiecks und grinst. Die Teenagerin wirkt glücklich und auf eine engelhaft-unschuldige Art fröhlich, sodass Angelo das Bedürfnis verspürt, dies seltsame Geschöpf zu umarmen, um das Glück, das es ausstrahlt, in sich aufzunehmen und mit ihm zusammen glücklich zu sein, dann auf die Knie zu fallen, seine Schenkel mit Küssen zu übersäen und eine Hymne für es zu singen. Angelo lächelt. Er ist dem Mädchen dankbar, dass es da ist, dass es ihn mit seiner Gegenwart beehrt hat. Dann Blut. Angelo bemerkt das viele Blut auf dem Unterleib der jungen Frau. Und erschrickt. Das Blut passt nicht zum Bild des auf eine engelhaft-unschuldige Art fröhlichen Mädchens; es verunstaltet es zu einer optischen Dissonanz. Angelo gefriert das Lächeln auf den Lippen.
»Hab keine Angst. Es tut nicht weh«, sagt das Mädchen leise, und als wollte es Angelo beruhigen und dem Jungen beweisen, dass es keinerlei Schmerzen
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