Zuckerleben: Roman (German Edition)
modische Dessous aus gildeneigenen Beständen mitgebracht. Nach Lwow. Und diese Reizwäsche probierst du zuweilen auch gerne selbst an. Vor dem Spiegel. In Veras Wohnung. In Lwow. Welches Modell ist nun dein Favorit? Das Negligé mit der seitlichen Schnürung oder doch der weiße trägerlose BH ? Und wie schaffst du es eigentlich, die Luft so darin lange anzuhalten, die sind ja schon ziemlich klein für dich die Dinger, oder nicht?
Was schaust du mich so quadratisch an, Mihailytsch, wie ein Colorado-Käfer, der gerade mit Insektizid besprüht wurde? Soll ich dir ein paar Fotos zeigen, um dein Gedächtnis aufzufrischen, oder doch lieber ein Video, wo’s mehr zur Sache geht? In Veras Wohnung? In Lwow?«
Absolute Stille.
»Was, du lachst nicht mehr, Mihailytsch? Was ist denn los? Na haha HA … Wir sind doch so witzig heute. Haben in der Scherzkiste geschlafen!«
Zhurkow richtet sich auf. Und blickt in die Runde.
»Ich glaube, euch geht’s zu gut. Mit mir. Ihr … wisst das, was ihr dank mir bekommt, gar nicht zu schätzen. Ihr seids wie Vampire, Kruzitürken, ständig wollt ihr mehr haben! Mehr saugen. Das ganze Blut habt ihr mir aus dem Organismus aussi-g’saugt! Blut. Na, ihr wollt kein Blut, ihr wollt Doktorenwurst und Dollar und ›Nina Ricci‹-Parfums und Sony-Fernseher, immer nur die teuersten und die, die selbst die Japaner in ihrem japanischen Universalladen noch nie zu Gesicht bekommen haben, und schwedische Angelausrüstung für Aale und diese depperten französischen Negligés, die es in über hundert Ausführungen pro Modell gibt, auf die auch meine Frau so steht und dann beleidigt ist, wenn ich nicht weiß, ob die vorne oder hinten zugeschnürt werden müssen, und Benzin. Und das rund um die Uhr. Ich komm mir vor wie der Weihnachtsmann in Festanstellung bei euch. Unersättlich seid ihr. Und das, was ihr schon habt, das ist euch nie genug. Seht zu, dass es nicht so wie in unserem altertümlichen Sprichwort kommt, das besagt, dass das Geschenk demjenigen, der es nicht zu schätzen weiß, entzogen wird. Ihr glaubt, ihr könnt mich einfach so verarschen, oder was? Aber keine Sorge, ich bringe hier schon Ordnung in diesen Saftladen rein. Ich zeig euch schon noch, wo die Flusskrebse überwintern, wenn’s kalt wird.«
»Aber Sergej Wenjaminowitsch, das war doch ein Scherz, ein kleiner, unschuldiger Scherz, das weißt du doch. Nichts Böswilliges. Ich weiß doch, dass damals die Situation außer Kontrolle geraten ist. Du konntest ja schließlich schlecht auf unbewaffnete Zivilisten schießen lassen. Dann wär’s noch schlimmer geworden. Dann wären die Konsequenzen undenkbar gewesen. Vielleicht eine Revolution sogar. Ich meine, die Erstürmung des Winterpalastes 1917 – so fing das damals auch an. Schüsse in die Menge, und schon ging es los. Dann wär’s noch schlimmer geworden. Deswegen. Ich würde dich doch nie beleidigen – ich meine, nicht mal im Traum würd ich –«
»Jetzt fängt der schon mit der Oktober-Revolution an. Sprechen einstellen, hab ich gesagt!«
Mit zwei Fingern deutet Zhurkow auf einen Mann, den der Gynäkologe mit Fjodor angesprochen hatte und der am hinteren Ende des Tisches eine filterlose Weißmeerkanal raucht.
»So, Hauptmann. Aufstehen.«
Der Hauptmann entsorgt den Rest seiner Weißmeerkanal und schnellt augenblicklich wie von der Tarantel gestochen in die Höhe.
» Nu hai davai , Bericht erstatten.«
»Jawohl, Herr Oberst. Die Lage ist wie folgt: Ein neuer Konkurrent operiert auf dem Territorium der Stadt. Das Hauptprodukt des Konkurrenten ist selbstgebrannter Samagon von höchster Qualität. Die Bibilaschwili-Brüder haben uns zudem einen ortsansässigen Mann aus Dondușeni gemeldet, der wegen italienischen Papieren Kontakt zu ihnen aufgenommen hat. Der Bürger, den wir als Vadim Dragoșowitsch Carabeț, auch unter dem Spitznamen ›Vadim der Maler‹ bekannt, identifizieren konnten, ist mit einer Lkw-Zisterne nach Odessa gefahren und hat dort bei den Bibilaschwili-Brüdern drei Polen-Visa erstanden, da italienische Papiere nicht arrangiert werden konnten. Bezahlt hat Carabeț in purem Schnaps. Der genaue Transaktionspreis für diese Visa belief sich auf 1500 Liter Samagon, die vor Ort von den Bibilaschwili-Brüdern und Vertretern der zuständigen Behörde abgefüllt wurden. Die Bibilaschwilis haben die hohe Qualität des Produktes bestätigt. Und auch, dass Carabeț schon früher bei ihnen Polen-Papiere gekauft hat und mehrmals in Polen gewesen ist, vor allem
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