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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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an.
    »In der Sowjetunion existiert weder eine kapitalistische Marktwirtschaft noch die rein theoretisch vorhandene nur-marxistische Planwirtschaft. In der Praxis wurde ein System umgesetzt, dass eine Mischung aus den beiden ist. Warum? Weil die Planwirtschaft kaum auf alle Bedürfnisse des Menschen, und diese sind zahlreich und vielfältig und ändern sich ständig, eingehen, geschweige denn diese vorhersagen oder planen kann. In Kriegszeiten kann man vielleicht die Nachfrage zügeln, durch Abstinenz und Gesetze, aber nicht auf Dauer, vor allem je länger eine Periode ohne Massenrepressionen, Revolutionen, Kriege oder Hungersnöte anhält. Kein Plan der Welt kann das alles berechnen«, das Mädchen richtet sich eines seiner Haarbänder, »aber wo Bedürfnisse entstehen, entsteht auch eine Nachfrage. Und wo es eine Nachfrage gibt, entsteht auch ein Angebot.
    Anders ausgedrückt: Verbot der Privatinitiative ruft Spekulationen, den Schwarzmarkt, hervor. Und mit seiner Hilfe kannst du ganz Moldawien mit Doktorenwurst beliefern, eine Zuckerfabrik bauen oder deinem Sohn ein Agronomen-Diplom kaufen.«
    Absolute Stille.
    Zhurkow starrt seine Tochter an, als würde er sie zum ersten Mal in seinem Leben sehen. Ganz deutlich kann man hören, wie eine Fliege gegen das Karpfen-Aquarium fliegt. Sergej Wenjaminowitschs Geist ist jedoch nur damit beschäftigt, die erhaltene Information irgendwie einzuordnen.
    »Alina. Wo hast du das gehört, Schätzchen?«, fragt er seine Tochter endlich.
    »In der Schlange vor dem Universalladen. Kurz bevor der URAL -Laster mit den Schuhen angekommen ist.«
    »Und wer hat dir das gesagt?«
    »Niemand.«
    »Wie, niemand?«
    »Ein dürrer Mann mit dunklen Ringen um die Augen hat das einem alten frisch rasierten Opa in der Schlange erklärt. Der Opa hat wunderbar nach diesem 1-Rubel-50-Kopeken ›Natascha‹-Eau-de-Cologne gerochen, wie sie es bei uns auf dem Markt beim türkisblau angestrichenen Kindergarten Nr.   7 auf dem Bahnhofsgelände früher mal verkauft haben. Ich habe ihr Gespräch mit meinem Diktiergerät aufgenommen. Ohne dass sie es merkten! Und später habe ich’s in meinem Zimmer so oft abgespielt, bis ich jedes einzelne Wort und auch die Betonung auswendig konnte!«, antwortet das Mädchen stolz und erinnert sich an den frisch rasierten Opa, der kurz nach dem Gespräch mit dem dürren Mann in der Menge verschwand. Dann, als Alina mit seiner Wiederkehr am allerwenigsten gerechnet hätte, tauchte der Opa plötzlich auf der Ladefläche des URAL -Lkws mit der Schuhlieferung auf und hielt diese merkwürdige Rede, in der es um defizitäre Waschmaschinen und Kinokarten ging, die Alina nicht verstand. Und ja – er hatte noch diesen Stern, der auf seinem Anzug glänzte, wie bei einem Sheriff! Kurz darauf sind fast alle zusammen mit dem Opa in eine andere Richtung geeilt.
    Eigenartig, diese Erwachsenen, denkt sich Alina, »zuerst stellen sie sich für die Schuhlieferung stundenlang an und dann laufen sie plötzlich ganz woanders hin und die Schuhe interessieren sie nicht mehr.«
    Sergej Wenjaminowitsch stellt sich vor, wie seine kleine Tochter in ihrem Zimmer die Konversation zwischen Roma Flocosu und dem Helden der sozialistischen Arbeit Wladimir Pawlowitsch Pușcaș einstudiert hat, und muss lachen.
    »Und warum machst du so was, Alina-Schätzchen?«
    »Ich dachte, du wärst beeindruckt, wenn ich dir so was sage, Papa.«
    »Du könntest dir beim Komitee ein gutes Taschengeld dazuverdienen, Schätzchen, das Komitee fördert nämlich Talente!«, sagt Sergej Wenjaminowitsch, gibt seiner Tochter einen Kuss auf die Wange und sagt, dass sie in die Semyorka einsteigen soll, aber bitte ohne Diktiergerät.
    Sergej Wenjaminowitsch navigiert den Lada über die Schotterstraße, die zum Dondușenier Fleischkombinat führt. Wie ein Besessener kurbelt Zhurkow das Lenkrad seines Fahrzeugs in verschiedene Himmelsrichtungen, um den vielen Schlaglöchern auszuweichen, ähnlich einem Spieler in einer dieser nach billigem Nikotin stinkenden Autorennen-Simulationskabinen am Bahnhof von Chișinău, wild entschlossen, einen neuen Rekord aufzustellen, bevor er seinen Zug nehmen muss. Es geht schleppend voran – hier und da glänzt in den Löchern trübes Wasser. Am Straßenrand liegen ein kaputter Kinderwagen und eine Puppe mit herausgerissenen Beinen, die mit dem Kopf im Matsch unweit vom Dondușenier Fleischkombinat ihrem Schicksal überlassen wurde. Fünfundzwanzig Stundenkilometer. Wieder schaltet Sergej

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