Zuckerleben: Roman (German Edition)
im Raum Olsztyn, wo Carabeț üblicherweise mit sowjetischen Fleischwaagen handelt. Damals hat er jedoch in Doktorenwurst und in Ölbildern eigener Produktion bezahlt und nicht in selbstgebranntem Schnaps. Wie dem auch sei, auffällig bei der jüngsten Transaktion ist, dass Carabeț außer für sich auch für zwei weitere Bürger Polen-Papiere gekauft hat. Beide konnten identifiziert werden. Der eine ist der unabhängige Schwarzhändler Pitirim Ionowitsch Tutunaru, genannt ›der Spekulant‹ und der zweite ist Roma Romanowitsch Flocosu, der ›Ewig Hungrige Historiker‹. Sie scheinen zusammen mit Carabeț vom Gelände der Zuckerfabrik und von Hlebniks Datscha aus zu operieren. Beide Objekte werden laut unseren Spähern gut bewacht, auch Hunde sind gesichtet worden. Die fraglichen Bürger haben die Umzäunung beider Objekte mit drei Sätzen SP -Sicherheitsdraht-Rollen verstärkt und zudem mit 220-Volt-Starkstrom gespeist. Sie verfügen außerdem über eine autonome Strom-, Wasser-, Energie- und Lebensmittelversorgung. Es ist davon auszugehen, dass sie auch über Bewaffnung und Munition verfügen.«
»Nicht schlecht, die Jungs. Die haben sich bestimmt Hlebniks 40 Tonnen Zucker unter den Nagel gerissen. Wenn wir die noch eine Zeit lang so weitermachen lassen, können wir gleich unseren Holzklump hier dichtmachen. Andererseits wollen die wahrscheinlich ohnehin abhauen, nach Polen oder Italien …
Gut, Hauptmann. Du wirst in der Nähe beider Objekte jeweils einen permanenten Observationspunkt einrichten. Ich will genau wissen, wie viele Leute zu Hlebniks Datscha und zur Zuckerfabrik Zugang haben, wer sie sind, wie viel Schnaps rausgebracht wird, worüber sie reden. Aber: Ohne ausdrücklichen Befehl nicht einschreiten. Vorbereitungszeit: eine Stunde. Ich will alle drei Stunden einen Lagebericht haben. Ausführen und wegtreten!«
Der Hauptmann, der Mann, den der Chefarzt der gynäkologischen Abteilung der Dondușenischen Rayonalen Poliklinik Nr. 1 als Fjodor angesprochen hatte, rührt sich nicht vom Fleck und starrt Zhurkow genauso an, wie er den Gynäkologen nach dem Verschlingen der zwei Speckstücke zuvor ratlos angestarrt hat.
»Aber Herr Oberst, Sergej Wenjaminowitsch, bis ich Benzin aufgetrieben und mit den Burschen alles vorbereitet habe –«
»Wofür brauchst du Benzin, Fedya? Bei uns in der Republik sind die Leute umweltfreundlich und gehen viel spazieren. Mit deinem Kübelwagen fällst du sowieso nur unnötig auf. Und du sollst observieren, keine Spritztouren um die Zuckerfabrik drehen. Lass dir von Yura draußen die Handkasse aushändigen und fünf Kilo Doktorenwurst einwickeln, für alle Fälle, und bezieh deine Position. Und sag Yura, er soll mir eine Portion georgischen Tee von den Bibilaschwili-Brüdern zubereiten und reinbringen. Das wäre dann alles, Fedya. Nein. Ich will nix von Stromausfall hören. Befehl ausführen und wegtreten, Hauptmann. Ab!«
Dies gesagt, schließt Zhurkow die Augen und massiert sich die Schläfen, um sich ein wenig zu entspannen. Als er die Augen wieder öffnet, sieht er einen bis auf seine enge Unterhose, in der eine geladene Stetschkin APS, Kaliber 9,2 x 18 mm mit einem Reservemagazin steckt, nackten Fünfunddreißigjährigen mit einem sehr sympathischen Lächeln, glänzender Glatze sowie einer sehr ausgeglichenen Ausstrahlung, der ihm eine Teetasse reicht: Yura.
»Zucker, Sergej Wenjaminowitsch?«, fragt Zhurkows Mitarbeiter, zwei Würfel Zucker zwischen die Finger geklemmt. Yura hält sie über dem mit einer Mohnblume verzierten Kännchen, es blubbert unruhig aus dem georgischen Teeblättergewirr heraus.
»Danke, Yura. Bin süß genug«, merkt Zhurkow an, schlürft einen Schluck Tee und beäugt dabei neugierig Yuras Äußeres, ohne ihn aber direkt darauf anzusprechen.
»Die Hitze ist zum Verblöden, Sergej Wenjaminowitsch. Anders halt ich’s nicht aus«, entgegnet der Moldawier mit der Stetschkin APS, Kaliber 9,2 x 18 mm in der Unterhose auf Zhurkows nicht gestellte Frage und lächelt zufrieden bei dem Gedanken daran, dass er sich nach Dienstschluss mit den Jungs draußen vor dem Holzklump auf offenem Lagerfeuer ein paar frische Flusskrebse garen wird. Bei vollkommener moldawischer Nacht, einer gekühlten Kiste Chișinăuer Frischbier unter dem stets üppig gefüllten Dondușenier Sternenhimmel und einem 3-Liter-Glas Samagon zu den Flusskrebsen, dazu würden sie »Ziegenbock« spielen. Irgendwer in der Runde würde Anekdoten erzählen.
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