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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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lächelt.
    »Ach, waaßt eh, Pitirim, jetzt mit der Kris’n leb ich hier direkt auf! Die Corbulaner kommen wieder in die Mess, fragen mich viel öfter um Rat. Ich werd gebraucht, ich spür, dass ich was Guats tun kann für die Menschen hier in Corbu, aber ned nur in Corbu, und diese Genugtuung tut mir guat, bestätigt mich in meinem Tun und gibt mir a Kraft, weiterzumoachen, des will ich dir ned verheimlichen.«
    Derimedont atmet einmal tief ein und aus, holt aus der Brusttasche seines Sticharions ein blaues Päckchen heraus und zündet sich eine Kosmos-Filterzigarette an.
    »Ich möcht hier in unserer Corbulaner G’meind’n Gospod Gott dienen, solange mir unser Erschaffer noch Toag auf dieser unserer vergänglichen Erd’n beschieden hat. Es gibt a wieder mehr Beichten bei uns in der Kirch’n, mehr Tauf’n, mehr Hochzeiten. Na ja, Begräbnisse auch, natürlich. Aber die gab es immer zur Genüge. Begräbnisse immer, ob mit derer Kommunisten oder ohne. Die Kommunisten werden eines Tages gehen, sag ich dir, aber die kirchlichen Begräbnisse werden bleiben.«
    Derimedont hält kurz inne, blickt zum Himmel hoch, so, als wollte er überprüfen, ob noch ein Gewitter aufziehen könnte, runzelt die Stirn, unsicher darüber, was er von den Wolken halten soll, und fährt fort, mit der Kosmos in der Hand gestikulierend:
    »Weil, des ist ja so wie mit derer sprichwörtlichen Katz’, der man den Schwanz in der Tür einklemmt: Wenn’s Richtung Sterben geht, wennst den physischen Verfall am eigenen Organismus spürst, wiest innerlich verfaulst und deine Arterien verkalken und dei Hirn schrumpft und du langsam des Zeitliche segnest, wird dir vor Augen g’führt, Bua, was wesentlich im Leben ist und was ned. Und da kommen s’ alle und suchen plötzlich die Nähe zu Gospod Gott, auch die, die sich dereinst in ihrer Jugend so stoark und selbstsicher fühlten. Der Mensch is irgendwo doch a egoistisches, verlogenes Wesen: Solang’s ihm gut geht und er sich stoark fühlt, da spuckt er nach links und nach rechts und denkt, er braucht niemand’n auf dieser Welt. Aber sobald es ihm schlecht geht, jemand in seiner Familie stirbt oder er selbst krank oder arm wird und nimmer kann, ja, dann kommen s’ wieder in die Kirch’n, san kleinlaut, machen sich Sorgen um ihr Leben, um ihre Seel’, wollen wissen, warum ihnen des olles widerfährt; wie sie sich retten können. Und wennst ihnen sagst, dass die Abkehr von Gospod Gott der Grund für ihren Seelenschmerz ist, dann machen s’ große Augen. Und wollen auf den letzten Drücker noch olles ausbügeln, ihren Frieden mit Gott und der Welt schließen. Drum sag ich da: Wenn’s Richtung Sterben geht, da kann sich kana mehr verstecken. Ob mit einer Million Rubeln auf’m Sparbuch und ZK -Mitgliedschaft in der Toasch’n und Staatsdatscha obendrauf oder bettelarm, da werden bei ollen die Koarten auf’deckt. Und deswegen gab’s bei uns in der G’meind’n immer kirchliche Begräbnisse. Und wird es immer geben. Die Not der Stund. Bei uns in Corbu bringt diese Not die Leut z’samm’n, sie san herzlicher und weniger egoistisch als die Städter, wie auch der Lawrow richtig bemerkt hat. Auch manch junge Leut’, auf die ich nimmer g’hofft hab, kommen wieder zu mir. Und ich bin a froh drum, dass ich braucht werd, dass ich den Menschen helfen kann, dafür bin ich ja da als Priester. Drum: Wenn’s nach mir ginge, würd die Kris’n ned aufhören. Ich find’s herrlich jetzt!«
    »Schön, dass die Krise wenigstens dir Spaß macht, Derimedont!«, entgegnet Pitirim und muss lachen.
    Derimedont drückt seine Kosmos aus, hilft Tutunaru, die Kanister wieder auf sein Motorrad zu montieren und die Abdeckplane über den Seitenwagen zu spannen. Dann streicht sich der Protodiakon durch den Bart und erkundigt sich bei Tutunaru, ob er auch nichts vergessen hat. Pitirim überprüft sicherheitshalber noch einmal seine Taschen.
    »Ach ja, beinahe hätt ich was vergessen, Pitirim: wegen meiner Schwester Valea, für die der Lawrow den schönen Sarg gebracht hat. Du waaßt, jetzt ist sie von Jugoslawien nach Hause unterwegs, mit Miorița und deren Mann Ion, Dumitrache Ion. Da wollte ich in dieser Angelegenheit dei Großtant’n Lidia Iwanowna konsultieren, dass olles gut geht und sie Valea erfolgreich über die Grenz’n bringen. Gospod Gott hat der Iwanowna ja die besondere Fähigkeit eines Mediums beschied’n, damit sie den Menschen bei uns hilft. Deswegen würd ich sie gern sprechen, kann aber ihre

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