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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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Kontaktdaten nimmer finden. Kannst ma vielleicht ihre Telefonnummer geben?«
    »Du musst die Vorwahl für Dondușeni wählen, 252, und dann die 24   025. Nur kann es sein, dass Lidia Iwanowna nicht drangeht. Sie hat viel um die Ohren und viel Kundschaft, vor allem jetzt während der Krise. Da schadet’s auch nicht, wenn du ihr aufs Band sprichst und ihr sagst, in welcher Angelegenheit du anrufst und dass es dringend ist.«
    »Dank da, so werd ich’s moachen!«, sagt Derimedont, schreibt sich die Nummer mit einem Bleistift auf die Rückseite seiner Kosmos-Zigarettenschachtel, steckt alles wieder ein, kommt näher an Tutunaru heran und sagt leise, so als würde er dem Dondușenier Spekulanten etwas Vertrauliches verraten.
    »Ich hab da nach’dacht.«
    »Worüber?«
    »Über dich hab ich reflektiert, Pitirim. Als du unten im Lärchenholz-Badebottich in dem feinen Wald-Engelwurz-Schaum gebadet hast.«
    »Und?«
    »Für mich ist es jetzt a guate Zeit, weil’s große Not herrscht und in dieser Not die Leut mei Hilfe brauch’n. Aber für dich und für viele andere Menschen ned. Du bist a no jung. Vielleicht wär’s besser für dich, in den Westen zu gehn. Du bist ja ein Schöngeist, schreibst Gedichte. Und die Kunst braucht Freiheit, um sich entfalten zu können. Deswegen. Du bist hier auch immer ganz gut mit deinen Spekulationsgeschäften über die Runden gekommen. Das schaffst du in einem Land im Westen bestimmt auch, in Italien zum Beispiel.«
    Tutunaru zieht die Augenbrauen hoch, spielt den Überraschten.
    »Meinst du?«
    »Du musst des mal so überlegen: Hier in Corbu haben wir a Italienischlehrerin, die Pilipciuc Nadja … Du und sie, ihr könntet euch z’sammtun und was in die Richtung deichseln. Italien is ja a schöns Land, sagt man. Und dort is Demokratie und ka Kris’n wie bei uns. Da lässt’s sich bestimmt gut leben. Ich meine, wenn du schon bei ihr auf a Gspusi aus bist, da könnte dir das Mädel auch gleich Italienisch beibringen …«
    Tutunaru schmunzelt, verspricht dem Protodiakon, über seinen Vorschlag nachzudenken, lässt sich von Derimedont segnen, verabschiedet sich vom orthodoxen Geistlichen mit Handkuss und Poklon und steigt auf sein Minsk-Motorrad.
    »Sag auch dem Wladimir Pawlowitsch an schönen Gruß von mir! Und denk daran: Wennst bei dem, was du tust, auch an andere denkst, und nicht nur an dich selbst, Bua, dann wird der Gospod Gott deine Unternehmungen stets zu einem erfolgreichen Abschluss führen.«
    Tutunaru nickt, bittet den Popen, Trofim dem Kantor sein Chuck-Norris-T-Shirt als ein kleines Dankeschön zu schenken, dem Protodiakon umschreibt er es als das »Leibchen mit dem bärtigen Amerikaner mit Cowboyhut«, Derimedont nickt, denn er weiß genau, was Tutunaru damit meint und dass sich Trofim über das Geschenk freuen wird. Der Dondușenier Spekulant hebt zufrieden den rechten Daumen, legt einen Gang ein und fährt Richtung Italienischlehrerin davon.
    » Hai noroc, pfüati Gott, Pitirim!«
    Indes schwirren die drei bekopftuchten Sowjetbürgerinnen Filipowna, Iustina und Marussja aus der Sakristei heraus. Die Hausfrauen sind aufgeregt und haben es sichtlich eilig, sie laufen. Iustina wendet sich aus dem Trab zu Derimedont und ruft dem Popen zu: »Batyuschka, der Strom kommt gleich! Es ist noch so viel zu tun! So viel zu tun!«
    Der Batyuschka lächelt fröhlich, winkt den Frauen, schaut Tutunaru hinterher und beschließt, umgehend das Medium Lidia Iwanowna anzurufen.

AUF DER SUCHE NACH DER ITALIENISCHLEHRERIN
    1991. CORBU, DONDUȘENIER RAYON, MOLDAWISCHE SSR
    ENTROLLT EUREN MARSCH, BURSCHEN VON BORD! DEM ZANK UND GEFLUNKER JETZT – PAUSE.
    STILL, IHR REDNER: DU HAST DAS WORT, REDE, GENOSSE MAUSER …
    MAJAKOWSKIJ
    August-Putsch und Flotter Dreier
    Dämmerung über Corbu.
    In der Ferne vermischt sich das ungestüme, tieftönige, angriffslustige Gebell eines unzufriedenen Wachhundes mit dem gelegentlichen Wiehern eines unsichtbaren Pferdes, dem das Motorhüsteln eines sich langsam entfernenden 408er-Moskwitschs mit defektem Auspuff ins Wort fällt.
    Ein Frosch quakt vorwurfsvoll.
    Kirchenglocken.
    Gänse schwirren in Formation am Corbulaner Firmament hinweg mit Kurs auf ein wärmeres, fernes Land.
    Eine Zeit lang Stille.
    Und dann durchpeitscht das hässliche Kreischen einer heiseren Schnepfe die schwüle Corbulaner Landluft.
    Das Kreischen der Schnepfe kommt aus der gleichen Richtung, aus der sich auch der Frosch über die flirrende moldawische Augusthitze beklagt hatte.
    So

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