Zuckerleben: Roman (German Edition)
entdeckt der Spekulant fleischige grüne Paprikaschoten, kurze stachelige Gurken zum Einlegen sowie lange Salatgurken, ein Dutzend Konserven Rigaer Sprotten in Tomatensauce, pasteurisierte Milch in prismaförmiger Kartonverpackung mit dem Hinweis der sowjetischen Gesundheitsbehörde »Milch ist unabdingbar in der Essration von Erwachsenen und Kindern!«, weiße Bohnen in einem Jutesackerl, ein Plastikbeutel Mehl, ein Plastikbeutel Grieß, eine rote Schnur Bubliki -Kringel, wie er sie in Derimedonts Podwal von der Decke hat hängen sehen, ein Netz Zwiebeln, eine kleine Kiste 0,33-Liter-Pepsi-Cola-Flaschen sowjetischer Produktion, ein Knoblauchzopf, wohl auch aus Derimedonts Badebottich- Podwal , zwei 1-Kilogramm-Päckchen Buchweizengrütze, ein Monatsvorrat an Parastas-Kerzen, eingewickelt in fettiges braunes Backpapier, und ein 3-Liter-Glas Kefir, auf dem noch das verwitterte Etikett mit der kyrillischen Aufschrift »Eingelegte Salzgurken 2. Klasse. Für den Export« zu lesen ist; neben der MOLDFELDOBSTGEMÜS -Holzkiste: ein pummeliger 50-Liter-Plastiktank Benzin mit Trageriemen, in Blau.
»Lediglich die Kondensmilch fehlt. Aber die wollt ich eh nicht kaufen. Soll Roma doch normale Milch trinken, es sind Krisenzeiten … Aber. Na ja. Sonst ist alles dabei, Batyuschka!«, schlussfolgert Tutunaru, sehr froh darüber, dass Derimedont seinen Einkaufszettel in seiner Hosentasche gefunden hat und ihm die Produkte aus seinen eigenen Vorräten besorgen konnte, ihm damit den Besuch auf dem Corbulaner Wochenmarkt ersparend.
Ja, manchmal hat man auch einfach Glück im Leben.
Tutunaru dreht sich zu Derimedont um, strahlt ihn mit einem fröhlichen Lächeln an und sagt:
»Danke dir, Batyuschka, hast mir echt viel Arbeit erspart! Auch für das Essen, die Klamotten und das Bad. Nach deinem Badebottich fühl ich mich wie neugeboren!«
»Gern geschehen! Ich konnte dich doch nicht in dem Zustand wieder gehen lassen. Das Gewand, das du jetzt anhast, ist übrigens von Trofim. Ich hab mir schon gedacht, dass dir seine Größe passen könnt. Ach ja, noch was: Dein Motorradl hat der Trofim auch schon vollgetankt, Pitirim! Er ist zwar schon ein Hallodri, dass man ihm manchmal echt eine in die Gosch’n hauen möcht, aber eigentlich ist er sehr tüchtig und hat das Herz am rechten Fleck, der Trofimtscherl.
Mit den Produkten hast du Glück gehabt, dass wir jetzt mit den Vorbereitungen für Valeas Begräbnis ziemlich viel an Lebensmitteln vorrätig hatten. Sieh nur zu, dass du mir den tragbaren Tank wieder zurückbringst. Den brauch ich noch. Und wenn du wieder bei mir vorbeikommst, kannst dir dein Gewand abholen. Ich hab’s der Iustina zum Waschen gegeben. Sie hat eine gute tschechoslowakische Waschmaschine und hat mir hoch und heilig versprochen, dein Gewand mit reinzuschmeißen, sobald sie wieder den Strom einschalten«, beteuert Derimedont und drückt dem Dondușenier Spekulanten mit einem viel bedeutenden Blick einen Zettel in die Hand mit Nadja Pilipciucs Wohnadresse samt Anfahrtsskizze. Tutunaru bedankt sich, steckt den Zettel ein und hängt flott die beiden Samagon-Kanister von seinem Seitenwagen ab.
»Also, Batyuschka, sind dreißig Liter Samagon in Ordnung, für alles?«
»Ach, komm, zwanzig Liter langen auch, zehn Liter fürs Benzin und zehn Liter für die Lebensmittel und die Parastas-Kerzen.«
»Nein, nein. Ist schon in Ordnung, ich lass dir dreißig Liter Samagon da. Kannst ja auch einen Schluck noch dem Trofim geben, dafür, dass er das Motorrad gerichtet, das Badewasser und das Gewand organisiert hat. Den Rest wirst du bestimmt für Valeas Begräbnis und den Leichenschmaus gebrauchen können. Vielleicht kommst du da mit dreißig Litern aus.«
»Dreißig Liter Samagon werden schon reichen. Die Leut sollen ja ned zum saufen kommen … Nu hai davai , wenn du mir schon die dreißig Liter geben willst, dann sag ich vergelt’s Gott und nehme die Gabe dankend an, mein Junge. Lass uns das Hochprozentige umfüllen!«
Gesagt, getan.
Tutunaru schüttet vorsichtig den ausgemachten Inhalt aus seinen Samagon-Kanistern in ein Gefäß, auf dem mit einem Filzstift dick die Tarnmarkierung ESSIG auf Moldawisch angebracht ist, während der Protodiakon aufmerksam den Fluss des Hochprozentigen beobachtet und »Panta rhei« vor sich hin murmelt.
»Und, wie kommst du so mit der Krise zurecht?«, erkundigt sich der Dondușenier Schwarzmarktspekulant beim Protodiakon, ohne seinen Blick vom abfließenden Schnaps abzuwenden.
Derimedont
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