Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin
Sommersprossen entledigen wollen, schwören auf eine Salbe aus Schlüsselblumen.«
Ich war versucht, ihm weitere Fragen dazu zu stellen, doch er sollte nicht denken, ich hätte nur Stroh im Kopf. Also sagte ich bloß: »Vielleicht, wenn wir unsere Sorgen wieder los sind«, und bat ihn, Tom von mir zu grüßen.
Zwei Tage später standen Sarah und ich auf, als die fünfte Stunde ausgerufen wurde, weil wir in die Sümpfe gehen wollten, um dort nach Engelwurz zu suchen. Ich hatte mich gerade gewaschen und mein Waschwasser für Sarah übrig gelassen - es war ganz und gar nicht schmutzig -, als sie plötzlich völlig verzweifelt meinen Namen rief.
Beunruhigt drehte ich mich um, und da saß sie mit gerötetem Gesicht, eine Hand auf der Wange, im Hemd auf unserem Bett. Sofort begann ich vor Angst zu zittern, denn ich wusste, was geschehen sein muss-te: Sie hatte bestimmt eine Schwellung entdeckt...
Ich kniete mich neben sie. »Was ist?«, fragte ich sie drängend. »Ist es eine Beule?«
»Ich glaube«, sagte sie mit zitternder Stimme und befühlte ihr Gesicht. »Genau hier.«
Sie nahm meine Hand und führte sie an ihr Gesicht, obwohl ich einen Augenblick lang - Gott vergib mir -zurückweichen und meine Hand zurückziehen wollte.
»Spürst du es auch?«
Ich ließ meine Finger an ihrem Kiefer entlangglei-ten. »Ich ... ich glaube«, sagte ich.
»Ich habe auch Schmerzen, die ganze Seite vom Hals entlang nach unten. Und das war schon die ganze Nacht so.«
»Und auf der anderen Seite?«
»Nichts.«
»Hast du irgendwelche anderen Anzeichen?«, fragte ich mit zitternder Stimme. »Fieber? Oder fühlst du dich krank? Ist dir schwindlig? Hast du Kopfschmerzen?«
Alle meine Fragen, außer der letzten, beantwortete sie mit einem Kopfschütteln.
»Dann lass uns schnell zu Doktor da Silva gehen«, sagte ich, und sie nickte wortlos, ihr Gesicht so weiß wie ihr Hemd.
Während wir uns anzogen, malte ich mir aus, was geschehen würde. Wenn es wirklich die Pest war , würden wir ohne weitere Umstände im Haus eingesperrt werden, mit einem brutalen Wachposten vor der Tür. In ein oder zwei Tagen würde ich dieselben Anzeichen haben, dann würde Sarah sterben, und ich würde ihr folgen. Mutter und Vater würden es durch einen Brief von irgendjemandem - vielleicht dem Gemeindepfarrer - erfahren und nach London kommen, unser Grab jedoch nicht finden können.
Und ich würde ungeküsst sterben, ehe mein Leben überhaupt richtig angefangen hatte.
Zu unserer großen Erleichterung hatte die Apotheke geöffnet und der Doktor war da, allerdings fand an diesem Morgen seine Sprechstunde statt, und draußen standen etliche Menschen Schlange, um ihn zu sehen. Sie gingen einer nach dem anderen zu ihm und sprachen ihn unter vier Augen, also warteten wir, bis wir an die Reihe kamen, behielten unsere Gedanken für uns und hielten uns so gut wie möglich von den anderen fern. Manche von ihnen boten wirklich einen sehr beunruhigenden Anblick: Eine Frau glänzte vor lauter Schweiß und wimmerte leise vor sich hin, ein Mann war bis zur Taille nackt und hatte große offene Wunden unter den Armen und auf der Brust. Es sah schauerlich aus, und ich wendete die Augen ab. Sarah flüsterte mir zu, dass ich Abstand von ihm halten solle, weil es Pestgeschwüre seien, die aufgegangen waren, und der Mann bestimmt zum Doktor gehe, damit dieser ihm Heilkräuter auf die Wunden legte.
Tom öffnete uns die Tür, und als er sah, dass Sarah und ich es waren, die den Doktor sehen wollten, wirkte er so entsetzt, dass mir fast die Tränen kamen, weil ich in dem Moment wusste, dass er für mich dasselbe empfand wie ich für ihn.
Das war ein kleiner Trost für mich, denn ich war gelähmt vor Furcht. Ich fing an zu beten, was ich seit vielen Monaten nicht mehr wirklich, das heißt vollkommen aufrichtig, getan hatte. Ich fing an, Gott anzuflehen, er möge Sarah gesund machen, und machte ihm alle möglichen Versprechungen, wenn er das täte.
Ich hatte Sarah bereits von Doktor da Silvas seltsamer Kluft erzählt, also erschrak sie nicht allzu sehr, als wir an die Reihe kamen. Wir wurden hinter einen Wandschirm geführt, wo sie ihn sitzen sah, mit seinem Vogelkopf und dem Atem, der rasselnd durch den mit Kräutern gefüllten Schnabel ging.
»Ich habe ... eine Schwellung«, stammelte Sarah, »hier.« Sie zog ihre Haube aus, hob den Kopf an und drehte ihn leicht zur Seite, damit der Doktor es besser sehen konnte. »Es tut sehr weh«, fügte sie hinzu.
Er hob eine Kerze in
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