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Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin

Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin

Titel: Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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merkte, dass ich vor einem Brauhaus Halt gemacht hatte.
    Empört drehte ich mich zum Sprecher um. »Das ist keine Perücke. Es ist mein Haar!«, sagte ich den zwei Männern - einem jungen und einem alten die mit Krügen voller Ale in der Hand an der Wand lehnten.
    »Und hübsche Schönheitspflästerchen auf der Nase«, fügte der Ältere hinzu.
    Gerade wollte ich den Mund aufmachen, um noch etwas zu sagen, als mir klar wurde, dass der Jüngling und der Mann, die vor dem Lokal Robe und Rotwein standen, sich über mich lustig machten.
    »Das sind keine Schönheitspflästerchen, William. So etwas nennt man Sommersprossen!«, sagte der Erste, und beide lachten laut los.
    Ich spürte, wie sich meine Wangen röteten, und hob meinen Korb auf. Ich hasste meine Haare, aber mehr noch hasste ich meine Sommersprossen, und eines der ersten Dinge, die ich in London tun wollte, war, zu einem Apotheker zu gehen und mich zu erkundigen, was die vornehmen Damen dagegen unternahmen. Ich reckte die Nase in die Luft und ging weiter, knapp an einer tiefen Rinne in der Straße vorbei, aus der allerlei übel riechender Dreck quoll. Als ich innehielt, glitt mein Fuß aus der Holzpantine, doch es gelang mir, das Gleichgewicht zu halten. Ich raffte meine Röcke zusammen und bahnte mir sorgsam meinen Weg um die Rinne herum.
    »Gut getanzt, junge Dame!«, rief der ältere Mann.
    »Das rote Küken kommt doch frisch vom Lande!«, gab der Jüngling zurück, und ich tat so, als hätte ich ihn nicht gehört.
    Zu Hause wurde ich immer wegen meiner kräftigen Haarfarbe und meines Teints gehänselt, aber ich hätte nicht gedacht, dass ich auch in London auffallen würde.
    »Eine junge Blüte, die gepflückt werden will!«
    »Pass bloß auf, dass dir kein Stück vom alten Crom-well da oben auf den Kopf fällt«, fügte der Erste hinzu.
    »Ein Auge oder ein Ohr zum Beispiel!«
    Ehe ich mich's versah, hatte ich schon zum Torbogen der London Bridge hochgeguckt, auf dem eine Reihe Menschenköpfe auf Pfählen steckte. Ich stieß einen Schreckensschrei aus.
    Weiteres Männergelächter ertönte hinter mir, und ich ärgerte mich über meine dumme Reaktion, denn ich wusste sehr wohl, dass die Köpfe von Übeltätern auf der Brücke zur Schau gestellt wurden - ich war sogar schon einmal bei einer öffentlichen Hinrichtung gewesen -, also hätte mich das nicht erschrecken dürfen. Doch der Gedanke daran, dass ein Stück dieser verfaulenden Schädel herunterfallen könnte, während ich vorbeiging ... Nun, ich verzieh mir meinen Schreck.
    Ich ging weiter und sog dabei vorsichtig die Luft ein. Es war voll auf den Straßen Londons, und es stank. Nicht einfach nur nach Bauernhof, wie ich es gewohnt war, sondern nach einer widerwärtigen Mischung aus verwesendem Fleisch, Küchenabfällen, ausgekochten Knochen, dem Rauch von Schwefelfeuern und dem Schweiß und den Ausscheidungen Tausender menschlicher und tierischer Körper. Die Brücke war voller Menschen, weil es - wenn man nicht die Fähre nahm - die einzige Möglichkeit war, von Southwarke in die Innenstadt zu kommen. Das wusste ich, weil meine Schwester Sarah mir den Weg, den ich zum Crown and King Place gehen musste, viele Male beschrieben hatte. Dort betrieb sie ihr Geschäft Zur kandierten Rosenblüte.
    Es war vor etwa einem Jahr vereinbart worden, dass ich nach London kommen würde, um bei ihr zu arbeiten, wenn Sarah meine Hilfe brauchte und meine Mutter mich zu Hause entbehren konnte. Vor zwei Monaten geriet ich dann in helle Aufregung, als ein Brief ankam - ein Brief mit meinem Namen darauf -, den uns der Pfarrer brachte. Darin stand, dass Sarahs Geschäft gut lief und sie mich gerne so bald wie möglich dort begrüßen würde.
    »Aber du wirst dich in London verirren, das weiß ich ganz genau!«, hatte sie bei ihrem letzten Besuch zu Hause gesagt. »Du bist solch ein Hans Guck-in-die-Luft, dass du es sogar schaffst, dich zu verlaufen, wenn du sonntags querfeldein zur Kirche gehst.«
    »Das liegt nur daran, dass ich nicht hinwill«, hatte ich geantwortet. Denn warum sollte ich auf einer harten Bank sitzen und mir eine zweistündige Predigt anhören, wenn es unterwegs so viele andere und viel spannendere Dinge zu tun und zu sehen gab?
    Wir wohnten in einem kleinen Dorf namens Chertsey, das gut eine halbe Tagesreise von London entfernt lag, und wenn ich in der Lage war, dort Dinge zu finden, die mich interessierten, kann man sich vorstellen, wie sehr ich auf der London Bridge staunte und gaffte. Es gab dort eine

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