Zuckermacher 02 - Aschenblüten
zu holen, bringe
ich Euch Karten für die Vorstellung von nächster Woche mit.«
Wir waren völlig Überwältigt, dankten ihr und machten noch einen Knicks - in der Tat hüpften wir, als sie zur Tür hinausging, auf und ab wie Schiffe auf der See. In der Zwischenzeit hatte sich ein kleiner Menschenauflauf vor unserem Geschäft gebildet, denn Nelly war beim Volk sehr beliebt, weil sie aus einfachen Verhältnissen kam und es so weit gebracht hatte. Außerdem ging (wie Mr. Newbery uns mitteilte) in den Kaffeehäusern das Gerücht um, dass der König Barbara Castlemaines Überdrüssig war und vielleicht Nelly zu seiner Geliebten machen wollte, denn er war häufig im Theater zu sehen, wenn sie auftrat.
Nelly hielt Wort. Sie kam wieder, um Veilchen zu kaufen, und brachte uns bei der Gelegenheit Theaterkarten mit. Anne und ich waren beim Gedanken daran, hinzugehen, unglaublich aufgeregt, obwohl Mr. Newbery behauptet hatte, dass er für kein Gold der Welt einen Fuß in ein Theater setzen würde. »Es ist dort abscheulich und Überfüllt, und Theater sind Brutstätten für allerlei Arten von Krankheiten«, sagte er.
»Aber das sind Schänken dann doch auch?«, fragte ich ihn freundlich, weil Mr. Newbery ein großer Freund von Schankstuben war und häufig auf der Schulter eines Nachtwächters nach Hause getragen wurde. Hierauf gab er mir keine Antwort.
Am Tag der Vorstellung schlössen wir das Geschäft gegen Mittag und waren um zwei Uhr im Theater, obwohl die Vorstellung selbst erst um drei Uhr begann. Wir wollten jedoch sichergehen, dass wir auch wirklich alles sahen, was es zu sehen gab. Wir hatten unsere besten Kleider angezogen - ich hatte das tiefrote Kostüm aus Linsey-Woolsey an, das ich geschneidert und bestickt hatte, und Anne mein blaues Leinenkleid vom Vorjahr. Beide trugen wir neue gestärkte Spitzenhäubchen und Dufthandschuhe.
Das King's Theatre lag im Rider's Yard in Drury Lane, also ein ganzes Stück von unserem Geschäft entfernt am anderen Ende der Stadt und außerhalb der Stadtmauern. Von außen sah es nur wie ein gewöhnliches, etwas heruntergekommenes Haus aus, doch innen hatte es ein Glasdach, war kreisförmig angeordnet und hatte unzählige voneinander abgeteilte Logen, die in Reihen nach oben führten. Unsere Sitzplätze lagen in der Mitte des Theaters, und unter sowie Über uns war je eine Galerie, wobei auf Letzterer die Lehrjungen saßen. Ganz unten war ein stufenförmig ansteigendes Parkett mit Bänken, auf denen gut angezogene junge Männer saßen, und neben der Bühne hielten sich die hübschen Orangen-und Zitronenverkäuferinnen auf, die den Leuten von Stand ihre Ware lauthals anboten und dabei, wie ich bemerkte, die jungen Männer in ihrer Nähe gründlich in Augenschein nahmen.
Anne und ich setzten uns und begannen, die Leute um uns herum mit großen Augen anzusehen, hierhin und dorthin zu schauen und abwechselnd durcheinander zu reden und vor Aufregung und vor Staunen die Luft anzuhalten. Obwohl wir frühzeitig angekommen waren, war das Theater bereits voller Leute, die sich miteinander unterhielten, lachten, umherwanderten, die Plätze tauschten, ihren Freunden etwas zuriefen, Gebäck aßen und herumalberten, so dass es mir eher wie eine Schankstube als wie ein Theater vorkam.
Auf der Bühne wurden verschiedene Nummern aufgeführt, um die Zuschauer zu amüsieren, bevor die Vorstellung begann: ein Tanzbär, ein Jongleur, ein Flötenspieler, der eine Gigue tanzte. Niemand schien sich wirklich für sie zu interessieren. Irgendwann fingen die Lehrjungen oben an, im Chor zu rufen: »Nelly, Nel-ly! Nel-ly!« Als auch andere Männer mit einstimmten, mussten wir uns die Ohren zuhalten, bis sie wieder damit aufhörten.
Anne lenkte meine Aufmerksamkeit auf das Parkett und wies mich auf ein Dutzend Frauen hin, die sich bei den Galanen aufhielten. Aber was für Frauen! Sie waren farbenfroh gekleidet, hielten sich entweder glitzernde Masken an Stäben vors Gesicht oder trugen so viele Schönheitspflästerchen und Pailletten, dass man kaum ihre Haut darunter erkennen konnte. Ihre Kleider waren aus prächtigen bunten Stoffen gefertigt, doch sie schienen geschneidert worden zu sein, als sie noch um einiges schlanker waren, denn ihre Brüste sahen aus, als würden sie bald aus ihren Miedern herausquellen. Sie kicherten, kokettierten und gingen von einem Mann zum nächsten.
Ich beugte mich zu Anne hinÜber. »Das sind Huren«, flüsterte ich ihr ins Ohr. »Sie sind auf der Suche nach
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