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Zuckermacher 02 - Aschenblüten

Zuckermacher 02 - Aschenblüten

Titel: Zuckermacher 02 - Aschenblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Hooper
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wieder auf.
    »Wenn du mir also meinen Lohn ausbezahlst, nehme ich Kitty mit und mache mich auf den Weg nach Hause«, fuhr sie fort. »Lieber bin ich in Chertsey bei den Färsen als in London bei einer blöden Kuh.«
    Ich schnappte nach Luft.
    »So, und jetzt habe ich es gesagt und bin froh darÜber.«
    Ich sah meine kleine Schwester an, die so herausfordernd vor mir stand, und ich musste zugeben, dass in ihren Worten mehr als nur ein Körnchen Wahrheit steckte, obwohl ich natürlich sehr verletzt war.
    »Eine blöde Kuh, sagst du also ...«
    »Das habe ich nicht so gemeint.«
    »Oh doch, das hast du!«
    Es gab eine lange Pause. »Ist es wirklich so schlimm?«, fragte ich.
    Sie nickte. »Nie kann ich mit dir reden. Immerzu geht es dir elend. Du stehst da und siehst dir alles an, was ich tue, und dann sagst du, dass es verkehrt ist.« Ihre Unterlippe bebte. »Ich fühle mich hier nicht wohl.«
    Bei diesen Worten schämte ich mich so sehr, dass ich zu ihr trat und sie in die Arme nahm. »Es tut mir Leid«, sagte ich. »Ich habe nur an mich gedacht und war scheußlich und gemein.«
    »Das warst du wirklich.«
    »Aber geh bitte nicht nach Hause«, bat ich und hielt sie in meinen Armen fest. »Ohne dich würde ich es gar nicht schaffen.«
    »Mal sehen«, sagte sie. »Du musst mir versprechen, dass du in Zukunft netter zu mir bist, und wenn du dich an dein Versprechen hältst, bleibe ich vielleicht hier...«
    So versöhnten wir uns wieder, und ich beschloss, Tom so gut es ging zu vergessen, denn ich wusste, dass alle durch die Pest irgendjemanden verloren hatten: Eltern, Dienstherrn, Freund, Ehemann, Kind... Und wenn alle traurig und übellaunig herumliefen, würde sich die Welt wirklich in einen schrecklichen Ort verwandeln.
    Ich begann, eine andere Seite von Anne zu entdecken, eine Londonseite sozusagen, denn hier wurde sie zu einer schnellen, guten Arbeiterin und war ganz und gar nicht faul. Nachdem eine gewisse Zeit vergangen war und die Märkte alle wieder geöffnet hatten, erlaubte ich ihr, morgens allein loszuziehen und die Früchte und Blumen zu kaufen, die wir brauchten. Sie machte ihre Sache gut, weil sie es verstand, den Preis herunterzuhandeln, und, ganz im Gegensatz zu mir, so dreist war, den Marktleuten eine Blume, die sich später als beschädigt herausstellte, oder eine Orange mit einem Wurm darin einfach zurückzubringen. Doch ich gab ihr kein Geld mehr mit, denn als sie mit einer Geldbörse unter ihren Unterröcken losgezogen war, war ihr das eine Mal alles von einem Wahrsager an einem Stand abgeknöpft worden, und das andere Mal hatte sie einen trillernden Vogel aus Holz für Kitty erstanden, der innerhalb von einer Stunde kaputtgegangen war. Also schickte ich sie mit Wertmarken los oder sie ging zu einem unserer Hauslieferanten, bei denen wir anschreiben lassen konnten.
    Wir sprachen oft von unserer Familie und darüber, ob Sarah und Giles einander liebten, und wir fragten uns auch, ob unsere Mutter die Niederkunft gut Überstanden hatte und ob wir einen Bruder oder eine Schwester bekommen hatten. Ich hatte das Gefühl, dass für unsere Mutter alles gut gegangen war, weil es Sarah andernfalls bestimmt gelungen wäre, es uns wissen zu lassen.
    Man hatte befürchtet, dass mit dem warmen Wetter auch die Pest zurückkommen würde, doch obwohl auf den Totenlisten immer noch einige Pesttode verzeichnet waren, stiegen die Zahlen zum Glück nicht wieder an. Die Leute strömten weiterhin nach London - entweder wieder in ihre alten Stellungen oder um den Platz derer einzunehmen, die gestorben waren bis die Stadt schließlich genauso Überfüllt, hitzig und hektisch wirkte wie im vergangenen Jahr.
    In den ersten Tagen nach unserer Rückkehr hatten wir nicht viele Kunden, aber das machte uns nichts aus, weil wir auch noch nicht viel Zuckerwerk anzubieten hatten. Doch nach und nach merkten unsere alten Kunden, dass wir wieder geöffnet hatten, und das Geschäft lief langsam besser. Ich freute mich, in einem solchen Gewerbe wie dem unseren tätig zu sein, weil es zwar stimmt, dass Zuckerwerk nur vergängliches, triviales Zeug ist, unsere Kunden jedoch sagten, dass sie sich davon besser fühlten und es sie aufmunterte. Eine vornehme Dame erzählte uns, dass sie sich jederzeit eine süße Delikatesse gönnte, wenn es sie danach gelüstete und sie sie sich leisten konnte, weil das Leben zu kurz sei, um darauf zu verzichten.
    Eines Tages machten wir einen Ausflug, um uns die Geschäfte auf der London Bridge anzusehen.

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