Zuckermond
sich die Freundin auf jeden Fall noch einmal ernsthaft zur Brust zu nehmen.
Kapitel 19
„Ich würde vorschlagen, wir gehen zum Chinesen und lassen es uns dort so richtig gut gehen.“ Rafael strahlte das Glück aus den Augen. Es war, als hätte man ihm Leben eingehaucht, denn seine Wangen hatten eine gesunde Farbe, seine Augen funkelten und sein schöner Mund zeigte mehr als einmal ein bezauberndes Lächeln.
Am Morgen hatte er Nachricht von einem der Verlage bekommen. Das Lektorat und auch die Verlagsleitung waren mehr als begeistert von seinen Werken und hatten ihm versichert, ihm schon bald einen Vertrag zukommen zu lassen, weil sie die Gedichte in ihr Verlagsprogramm aufnehmen wollten. Zur Feier des Tages wollte er seine Freunde nun zum Essen einladen. Da er beschlossen hatte, fortan auch wieder Termine anzunehmen und seinen selbst auferlegten Erholungsurlaub zu beenden, hatte er für den Abend schon einen Termin. Auch die kommenden Abende waren belegt und so entschied er, dass es auch mittags vorzüglich beim Chinesen schmeckte.
Rafael liebte die chinesische Küche und so betraten sie gegen Mittag ein schickes chinesisches Restaurant in der City. Helena sah sich um. Das Restaurant war gut besucht. Ein freundlich lächelnder Kellner begrüßte sie und führte sie elegant zu einem freien Tisch. Er war mit weißen rechteckigen Tellern auf brombeerfarbenen Platzdeckchen eingedeckt. Neben den Tellern lagen sowohl Messer und Gabel, als auch die traditionellen Essstäbchen – fein umwickelt mit brombeerfarbenem Seidenpapier. Sechseckige Gläser und eine ovale Vase, in der ein paar dunkelrote Nelken steckten, rundeten das Bild ab. Eine zarte Kellnerin näherte sich ihnen geräuschlos und reichte ihnen mit einem leisen Nicken die Speisekarte. „Und eine Flasche Sekt, bitte“, ergänzte Rafael, als sie der Kellnerin ihre Getränkewünsche angesagt hatten. Sie waren noch in die reichhaltige Auswahl der Speisekarte vertieft, als der Sekt gebracht wurde. Er schmeckte köstlich. Eine Mischung zwischen süßlich und halb-trocken mit besonders feiner Geschmacksnote. Helena beobachtete Leonard heimlich über den Rand der Speisekarte hinweg. Er sah mal wieder zum Niederknien gut aus. Sie studierte die sinnliche Linie seiner Lippen, die hohen Wangenknochen, die gerade Nase. Sein Haar trug er im Nacken mit einem bordeauxroten Samtband zusammengebunden – dieselbe Farbe, die auch sein Rüschenhemd zeigte. Ein nervöses Flackern machte sich in ihrem Bauch breit, als er ebenfalls hochblickte und sie förmlich dabei ertappte, wie sie ihn musterte. Rasch schlug sie die Augen nieder und widmete sich wieder voll und ganz der Speisekarte. Um Leonards Mundwinkel begann es amüsiert zu zucken. Wäre es Helena möglich gewesen, hätte sie sich am liebsten an Ort und Stelle in Luft aufgelöst. Ihre Wangen wurden heiß, ihr Mund war trocken und in ihrem Magen flimmerte es ohne Unterlass. Vorsichtig hob sie ihren Blick, nur um sich zu vergewissern, dass Leonard sich anderen Dingen zugewandt hatte und landete prompt erneut in dem teuflisch grünen Feuer seiner Augen. Ein hämisches Feuer, das sie schadenfroh auszulachen schien. Sie zwang sich dazu, seinem Blick standzuhalten und musste nach einer Weile sogar grinsen. Leonard grinste zu ihrem Erstaunen zurück – eine vertrauliche Geste, die ihr Inneres in Aufruhr versetzte. Dieser Moment war für Helena intimer, als jede Art von Sexspielchen, die sie jemals miteinander geteilt hatten. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Das Blut schoss ihr heiß durch die Adern und freudige Erregung färbte ihre Wangen rot. Sie glaubte in seinem Grinsen zu ertrinken, wollte daran festhalten, aus Angst, einen derartigen Moment nie wieder mit ihm erleben zu dürfen. Helena erkannte in seinen Augen eine Sehnsucht, die sie förmlich überschwemmte. Ein stummes Betteln. Eine Aufforderung dazu, die Steine seiner Seelen-Mauer rasch aufzuheben und ganz weit fortzuwerfen, damit sie das Loch, welches sie hinterließen, nie wieder füllen konnten. Steine, die herausgebröckelt waren und so eine Lücke zurückließen. Eine Lücke, die einen Blick auf seine Seele freigab. Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Was hatte das zu bedeuten? Wie sollte sie darauf reagieren? Sollte sie überhaupt reagieren? Sie war unsicher, gleichzeitig aber auch so froh wie noch nie. Endlich zeigte dieser Mann einen Anflug von Gefühl. Auch wenn sie das alles ganz und gar nicht deuten konnte. Leonard war zunächst amüsiert und schließlich
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