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Zuckermond

Zuckermond

Titel: Zuckermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Martini
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hinteren, stilleren Bereich des Cafés. Während die freistehenden Tische von Stühlen umringt waren, waren die Tische an der Wand mit einem „Kuschelsitz“ versehen – einer dicken ledergepolsterten Bank mit großzügigen Rückenlehnen. Leonard nahm neben Helena auf der Bank Platz, anstatt sich ihr gegenüber auf den Stuhl zu setzen.
    „Nett ist es hier.“ Ihre Stimme klang atemlos. Sie war atemlos und sich seiner Nähe überdeutlich bewusst, verlegen wie ein Schulmädchen beim ersten Rendezvous. Leonard maß ihren Atem am Heben und Senken ihrer Brüste. Er lächelte, als er sah, wie nervös sie mit der Getränkekarte spielte. Am liebsten hätte er diesen Moment ausgekostet, liebevoll mit ihr geflirtet und gescherzt, aber immer wieder rief er sich ins Bewusstsein, dass er sie innerlich nicht zu nahe an sich herankommen lassen durfte. Hatte er dies nämlich erst einmal getan, würde er es bereuen. Das wusste er so sicher – so sicher, dass es eine unabwendbare Tatsache war, dass abends statt der Sonne, der Mond am Himmel stand. „Willst du keinen Blick in die Karte werfen?“ Er zwang sich zu einem spöttischen Unterton, um seine Fassung wieder zu erlangen. Quälend verführerisch drang seine Stimme an ihr Ohr. „Hineinwerfen? Ach so… nein… ich meine, ja… sicher.“ Sie schlug die Karte auf. Ein unterschwelliges Beben durchfuhr ihren Körper – eine Reaktion auf seinen intensiven Blick und seine prickelnde Nähe. Eine Nähe, die dieses Mal nicht auf sexuellen Spielchen beruhte. „Du willst, dass ich dich berühre, nicht wahr?“ Leonards leise Stimme war lockend und gefährlich zugleich. „Ich…“ Sie brach ab und räusperte sich. Einen beunruhigenden Augenblick lang herrschte absolutes Schweigen zwischen ihnen. Helena hörte ihr Herz bis zum Hals schlagen und schaffte es nicht, seinem prüfenden Blick auszuweichen. Ein winziges Lächeln – nur ein Hauch, ein Ansatz – spielte um seine Mundwinkel. Sie straffte die Schultern. „Du machst mich verlegen, wenn du mich so anschaust.“ „Wie schaue ich dich denn an?“ „So… so… fast wie ein Habicht, der ein Kaninchen fixiert, welches er doch eigentlich schon längst in der Tasche hat.“ „Ich habe dich deiner Ansicht nach also in der Tasche?“ „Das habe ich nicht gesagt. Du machst aber den Eindruck, als seiest du davon überzeugt, mich in der Tasche zu haben.“ Er lächelte, kam aber nicht zu einer Erwiderung, weil eine Kellnerin an den Tisch trat. „Hast du schon gewählt?“ Schalk blitzte ihr aus Leonards Augen entgegen. Dieser Teufel weiß ganz genau, dass ich noch nicht gewählt habe. Und er weiß auch warum. Mistkerl! Sie funkelte ihn ärgerlich an und verschwand hinter der Karte. „Ich nehme eine heiße Schokolade“ entschied sie schließlich, nicht ohne Leonard mit einem weiteren Wutblick zu bedenken, was dieser mit einem Grinsen quittierte. Er bestellte sich einen Espresso und außerdem zwei Portionen Tiramisu. Die Kellnerin entfernte sich und ein für Helena unbehagliches Schweigen kündigte sich an. „Ich freue mich für Rafael über seinen Erfolg.“ Helena meinte dies ernst, gleichzeitig war dieses Thema aber auch eine willkommene Gelegenheit, eine unverfängliche Atmosphäre herbeizuführen und vor allem einem eventuellen Schweigen zuvorzukommen. An den Funken, die in Leonards Augen tanzten erkannte sie, dass er darum wusste. Doch er war so gnädig, auf ihren Plauderton einzugehen. „Ja, ich freue mich auch. Rafael hat alles Glück dieser Welt verdient und ich hoffe, dies war erst der Anfang.“ Helena wagte einen Sprung in seine Seele. „Hattest du eigentlich ein angenehmes Leben?“ „Wie man es nimmt…“ Helena fluchte leise, denn sie empfand das Timing der Kellnerin, die vor ihnen auftauchte, als äußerst ungünstig. Die dampfende heiße Schokolade mit dem Sahnehäubchen obenauf besänftigte sie etwas. Sie duftete schon von Weitem und mit einem dankenden Lächeln nahm sie sie voller Vorfreude entgegen. „Erzähl mir von deinen Eltern“, wagte Helena einen erneuten Sprung in Richtung Leonards Leben. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Meine Mutter war Prostituierte und mein Vater einer ihrer Kunden. Ich habe ihn nie kennen gelernt.“ Helena verschluckte sich an ihrem Kakao. „Ist der Kakao zu heiß oder hat dich meine Antwort dermaßen schockiert, dass er dir förmlich im Halse stecken geblieben ist?“ Um seine Mundwinkel zuckte ein Muskel. „Ich war nicht schockiert… lediglich ein wenig erstaunt

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