Zuckermond
entzückt darüber gewesen, wie verschämt sie den Blick abgewandt hatte, als er sie dabei ertappte, wie sie ihn still und heimlich betrachtete. Am liebsten wäre er aufgestanden, hätte sie in seine Arme gerissen und ihr ganzes Schamgefühl aus dem Gesicht geküsst. Und dann dieses süße Grinsen, als ihr klar wurde, dass sie diesem Moment nicht davonlaufen konnte, sondern sich den Tatsachen stellen musste. So, wie sie waren.
Was hat dieses Geschöpf an sich, dass ich regelmäßig dieses schmerzliche Sehnen in mir spüre, wenn ich in ihrer Nähe bin? Dass ich kurz davor bin, meine Prinzipien zu vergessen? Ich muss mehr denn je aufpassen, denn sie berührt mein Inneres mehr, als gut für mich sein kann. Verdammt, das darf nicht sein.
Leonards Blick ging Helena so zu Herzen, dass sie schon ihre Hand ausstrecken wollte, um die seine zu berühren. Doch mit einem Mal veränderte sich sein Gesichtsausdruck und sie sah nichts weiter, als seine allzu vertraute regungslose und leicht spöttische Miene vor sich.
Ihre Hand zuckte zurück und um etwas zu tun begann sie erneut, die Speisekarte zu studieren, obwohl sie längst wusste, auf welches Gericht ihre Wahl fallen würde. „Ich werde Huhn in Currysauce mit Cashewkernen nehmen. Habt ihr euch auch schon entschieden?“ Rafael tauchte hinter der Karte auf. Er hatte nichts von den Stimmungen, die soeben zwischen Leonard und Helena hin und her gependelt waren, mitbekommen. „Hm… ich denke, ich werde Rind süß-sauer mit Bambussprossen und chinesischen Pilzen wählen“, erwiderte Leonard und mied Helenas Blick. Er hatte einen Teil seiner Gelassenheit verloren und war darum bemüht, sie wieder zu finden. Dabei war ein Blick in ihre Augen nur hinderlich. „Ich habe mich auch entschieden. Mir ist nach Seezunge auf einem Bett aus chinesischem Gemüse.“ „Prima. Dann können wir ja bestellen.“ Rafael gab der Kellnerin ein Zeichen und kurze Zeit später hatten sie ihre Bestellung aufgegeben, tranken auf Rafaels Erfolg und fielen in einen leichten Plauderton. Hauptthema des Gesprächs war Rafales „poetischer Aufstieg“. Helena war froh, dass sie ein derartig markantes Thema hatten, denn so verging die Zeit zwanglos und ohne unangenehme Pausen, in denen sie eventuell erneut einer ähnlichen Atmosphäre wie zuvor ausgesetzt war. Die Zeit verging wie im Fluge und Rafael musste am Nachmittag aufbrechen. Was hältst du davon, wenn wir noch etwas trinken gehen?“, wandte sich Leonard an Helena, nachdem sie sich von Rafael verabschiedet und das Restaurant verlassen hatten. „Ein Kaffee wäre jetzt genau das Richtige.“ „Gern.“ Helena freute sich, auch wenn in ihrem Magen der Teufel los war und ein flaues Übelkeitsgefühl die Qualität des Augenblicks etwas schmälerte. Ihr war übel vor Aufregung, denn dieser Mann setzte allein durch seine Anwesenheit ihren gesamten Körper unter Strom. Würden sie sich was zu erzählen haben? Hatten sie überhaupt irgendetwas zu erzählen? Sie seufzte.
Was so ein bisschen Verliebtheit doch mit einem anstellen kann. Man selbst… ja, sogar die ganze Welt ist plötzlich nicht mehr dieselbe. Alles steht Kopf und das Selbstvertrauen sinkt. Man könnte ja fast meinen, ich sei nicht nur ein bisschen verliebt, sondern… oh Gott… ja, ich liebe diesen Mann. Von ganzem Herzen. Und kann mir ein Leben ohne ihn einfach nicht mehr vorstellen. Egal, was kommen wird, mein Leben wird nie wieder so sein wie vorher.
Ihre Augen verdunkelten sich und ein wenig niedergeschlagen schritt sie neben Leonard die so genannte „Fressgass’“ entlang zum Opernplatz. Er führte sie dort zu einem bekannten Cafe. „Hier gibt es hervorragenden Espresso. Wollen wir?“
Sie nickte und Leonard schob die Tür auf, ließ sie passieren und folgte ihr. Ihr war nach wie vor flau im Magen. Sie hatte Schmetterlinge im Bauch, weiche Knie und Herzflattern. Mit flackerndem Blick sah sie sich um.
Das Cafe hatte Flair und Stil. Vorne zeigte eine durchgehende Fensterfront auf den Opernplatz und die Alte Oper, links befand sich eine Theke, welche sich über die halbe Länge des Ladens zog. Mehrere Tische standen in loser Ordnung im länglichen Raum verteilt, jedes mit einer Kerze ausgestattet. Dezente Jazz-Musik erklang im Hintergrund. Die Gäste unterhielten sich leise, sandten aber gleichzeitig neugierige Blicke durch den Raum, denn jeder Neuankömmling wurde erst einmal beobachtet.
Helena und Rafael hatten Glück, denn gerade wurde ein Tisch frei. Ein Tisch im
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