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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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machten, so hoch oben über ihr, am Rande des Abgrunds. “Nein danke, nur eine kleine Schwäche. Der Kreislauf.” Zitternd und schwindelig hielt sie sich zu Hause in ihrer Küche an der Anrichte fest, während sie das Essen zubereitete. Jeden Tag eine warme Mahlzeit auf den Tisch bringen! Eine weitere Krücke war ihr Spanisch. Sie war im Examensjahr. Als sie angefangen hatte zu lernen, wollte sie Hubert zeigen, daß sie mehr im Kopf hatte als nur ein paar einfache Kinderbücher. Sie war nicht dumm. Jetzt war ihr Spanisch der letzte Halt vor der totalen Kapitulation. Sie wußte oft nicht, wie sie zur Schule gekommen war, aber jeden Montag früh um neun Uhr saß sie auf ihrem Platz, die Schularbeiten fein säuberlich gemacht, die Vokabeln gelernt. Ihr Verstand funktionierte noch. Jeden Tag eine halbe Stunde lernen, und das Gelernte sinkt ins Langzeitgedächtnis. Für eine halbe Stunde gab es nichts anderes als spanische Verben, spanische Idiome, spanische und südamerikanische Geschichte. Noch konnte sich ihr Verstand behaupten. Behaupten gegenüber ihrem Gefühl: Es ist alles aus, es hat alles keinen Sinn mehr, laß dich fallen. Wie lange noch?
     
    Sie gingen zusammen zur Ehetherapie. “Denke deswegen bitte nicht, daß ich überhaupt weiter eine Ehe führen möchte”, hatte Hubert sie gewarnt. “Aber vielleicht hilft sie mir, klar zu werden, was ich will.”
    “Ihr erster schriftlicher Test hat Gemeinsamkeiten ergeben, die hoffen lassen”, sagte Dr. Rolveld. Gaby saß in die eine Ecke der Behandlungscouch gedrückt, Hubert saß in der anderen. Die Entfernung zwischen ihnen war unendlich. Dr. Rolveld saß hinter seinem Schreibtisch, klein, schmächtig, mit schütterem Haar, beobachtete er seine Klienten mit der Anteilnahme eines erfrorenen Frosches.
    “Ich kann nicht mehr”, weinte Gaby, “ich halte diesen Zustand nicht mehr lange aus. Seit Monaten hält er mich hin. Es kommt mir vor, als stünde alles auf dem Kopf. Ich muß beweisen, daß ich in Zukunft mehr Vertrauen habe. Er hat doch mein Vertrauen mißbraucht.” — “Vielleicht hat ihr Mann das nötig, so einen Vertrauensbeweis.” Er hatte immer Beweise nötig, dachte Gaby. Immer muß ich beweisen, beweisen, daß ich ihn liebe, beweisen, daß ich ihm vertraue. Warum er nie, warum muß er nie etwas beweisen? Sie fragte es Dr. Rolveld.
    “Sie wissen, was Sie wollen. Sie wollen verheiratet bleiben. Ihr Mann weiß das nicht. Er weiß nicht, was er will.” Es war ein Vorteil, wenn man nicht weiß, was man will. Dann mußte der andere einen überzeugen.
    “Können Sie meinem Mann nicht klar machen, was es für mich bedeutet hat: etwas zu fühlen, das es nicht gab, weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Daß ich dadurch beinahe verrückt geworden bin?”
    “Ich glaube, ihr Mann weiß das genau. Daß er es nicht sagt, heißt nicht, daß er es nicht weiß.”
    Hubert sagte nichts. Später sprach er über seine Beziehung zu Ursel. Wie schön und rein die gewesen war. Gaby stieß verächtlich die Luft aus.
    “Wären Sie gefühlsmäßig weniger engagiert, wenn Ihr Mann nicht mit ihrer Freundin Geschlechtsverkehr gehabt hätte?” Gaby übersetzte sich den Satz. Ob es ihr weniger ausmachen würde, wenn die zwei tatsächlich nicht miteinander geschlafen hätten? Nein, eher im Gegenteil. Sie wußte, wie es begonnen hatte, wie scharf er auf Ursel war. Falls Ursel es tatsächlich nicht zum richtigen Beischlaf hatte kommen lassen, dann kannte Hubert verschiedene Variationen, um zum Orgasmus zu kommen und um auch sie erzittern zu lassen. Es machte nichts aus, mit welchem Körperteil er das tat. Noch schlimmer war die Vorstellung, daß er sich bei Ursel aufgegeilt hatte, es aus verschiedenen Gründen nicht zur Befriedigung gekommen ist und er mit Gaby ins Bett gegangen war. Wie oft hatte er Ursels Namen an Gabys Ohr geflüstert! Es war die Intimität, die er über Jahre hinaus mit Ursel geteilt hatte, die Intimität zweier Liebender, die ihr Verhältnis zum Betrug machte.
    “Ihr Mann klagt, daß Sie ihm nie einen Schnaps eingeschenkt, seine Krawatten nicht weggehängt haben?” Gaby nickte. “Das stimmt. Aber geht daran eine Ehe kaputt?” — “Vielleicht vermißt er die sorgende Hand einer Mutter? Sind Sie sorgsam genug?” Wahrscheinlich nicht, überlegte Gaby. Ich habe vier Kinder gehabt, dauernd Gäste, mein Studium, da kann es schon mal geschehen, daß er sich von mir nicht bemuttert fühlte. Aber er hat doch seine Mutter? Die hat ihn doch wie ein

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