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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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und schämte sich ein wenig der Genugtuung, die sie trotz allem empfand. In den Wechseljahren! Daran hatte sie nun wirklich nicht gedacht. Aber natürlich, Ursel war Ende Vierzig, da kam man in die Wechseljahre. Kein Grund zur Beunruhigung. Ein natürlicher Vorgang. Nichts, worüber sie sich Gedanken machen mußte.
    Kritisch sah Hubert sich in dem Hotelzimmer um, kontrollierte das Badezimmer, ging zum Fenster, warf einen prüfenden Blick auf die Geschäftsstraße. “Abends ist es hier doch ruhig? Ich meine, meine Frau wird hier doch ruhig schlafen können?” Die Besitzerin der ‘Weegschaal’ warf einen schnellen Blick zu Gaby, sah dann wieder zu Hubert. “Machen Sie sich bitte keine Gedanken. Es ist hier abends ganz ruhig. Wir haben viele ruhebedürftige Gäste bei uns.” Ruhebedürftig, dachte Gaby und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Türpfosten. Ihre Beine zitterten. Sie war nicht ruhebedürftig. Er war der Patient. Er mußte sich in drei Tagen einer schweren Herzoperation unterziehen. Wenn man ihm zuhörte, könnte man glauben, daß sie kurz vor einem Zusammenbruch stand. Warum ließ er sie nichts selber regeln, warum mußte er immer und überall der starke, große Macher sein? Die Wirtin glaubte wahrscheinlich, ihren Blicken nach zu urteilen, daß sie, Gaby, sich von der einen oder anderen schweren Krankheit erholen mußte. Warum, fragte Gaby sich, warum fühle ich mich andauernd, als ob ich am Abgrund wandele, und wenn ich nur einen einzigen verkehrten Schritt mache, stürze ich ab? Zittern darum meine Beine, weil sie mich schützen wollen? Warum flattern meine Hände, als wären sie nicht imstande, fest zuzugreifen? Flattern sie, weil sie wissen, daß, wie fest ich auch zugreifen will, mir alles zwischen den Fingern entgleitet, nichts Bestand hat?
    “Du bist kein Kind mehr”, versuchte Jaap ihr in den Hypnosesitzungen deutlich zu machen. Natürlich hatte er recht, aber sie fühlte sich wie ein Kind gefangen in einem Käfig von Angst und Einsamkeit. Lag das alles an ihrer Jugend? Hatte sie keine Chance, jemals ohne Angst zu leben?
    “Du kannst heute selbst entscheiden, was du willst und was du tust”, wiederholte Jaap wieder und wieder. Sie hatte bei der letzten Sizung nur müde darüber lächeln können. “Ich will Hubert zur Seite stehen, ich will, daß er gesund wird, ich will mit ihm glücklich sein.”
    “Und, kannst du irgend etwas dazu beitragen?” hatte Jaap sie gefragt. Sie hatte ihn, nicht begreifend, angesehen. “Ich tue alles für ihn. Ich werde in einem Hotel in Utrecht wohnen, von morgens bis abends werde ich an seinem Bett bleiben, ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen, er wird fühlen, wie sehr ich ihn liebe.”
    “Und was tust du für dich?”
    Sie hatte nichts geantwortet. Sie konnte doch in einer Zeit wie dieser nicht an sich selbst denken. Oder tat sie es doch? Wenn sie sagte, sie wollte ihm beweisen, wie sehr sie ihn liebe, war das dann nicht auch für sie selbst?
    Und sagte er nicht immer und immer wieder, er liebe sie auch, er könne nicht ohne sie leben? Was war es, was sie trotzdem fühlte? Was schwebte unausgesprochen zwischen ihnen, verdichtete sich mehr und mehr, durch welche Mauer konnte sie nicht zu ihm dringen?
    “Phantasien”, sagte Hubert und machte eine abwehrende Handbewegung vor seinem Gesicht, als könne er damit alles wegwischen. Wie das Netz einer Spinne, das man mit einem Griff zerstören kann. “Du bildest dir die Dinge ein.” Und dann fügte er wieder den Satz hinzu, der ihr jedes weitere Gespräch unmöglich machte: “Kein Wunder, daß du kein Vertrauen haben kannst. Bei deiner Jugend, meine ich.”
    Nein, es war wahrscheinlich kein Wunder. Sie war beschädigt. Wie das kleine Schimpansenbaby, das verstoßen worden war. Sie litt an W ahn Vorstellungen, sie mißtraute den liebsten Menschen um sich herum. Sie konnte froh sein, daß ihr Mann soviel Verständnis dafür aufbrachte.
    Am letzten Abend vor der Krankenhausaufnahme kam Hubert noch mit in ihr Hotelzimmer. Sie schliefen miteinander. Hubert war stolz, daß er noch immer konnte. Er war stark und leidenschaftlich wie immer. “Nicht jeder Mann kann das. Ich meine, bevor er zu einer Operation ins Krankenhaus muß.” Gaby wußte das zu schätzen. Ein Beweis seiner Liebe, sagte er. Selber hatte sie sich nicht entspannen können. Sie hatte ihm einen Orgasmus vorgespielt, um sich dann ein wenig in seinen Arm kuscheln zu können. Sie strich mit den Fingerkuppen über seine Brust, über die glatte

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