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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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Haut, die sie zerschneiden würden, legte ihre Hand auf sein Herz, das sie flicken wollten wie eine kaputte Pumpe und das jetzt so gleichmäßig klopfte. Sie unterdrückte ihre Tränen. Sie wollte tapfer sein. Er war selbst so stark. Sie durfte es ihm nicht schwermachen. “Komm”, sagte Hubert und richtete sich auf. “Ich habe noch eine gute Flasche Wein mitgebracht. Die mache ich jetzt für uns auf.” Er holte die Flasche aus seinem Aktenkoffer, nahm den mitgebrachten Flaschenöffner, dann besann er sich. Er lächelte sie an. Liebevoll. “Ich glaube, es ist gut, wenn du lernst, wie man eine Flasche öffnet. Ich meine, es wird Zeit, daß du einen Korken ziehen kannst.” Gaby sah ihn verständnislos an. “Na ja, man weiß ja nie... Eine Herzoperation... Ich meine ja auch nur, du solltest wissen, wie man einen Korken zieht.” Jetzt lächelte er scherzend. “Stell dir vor, wenn du für den Rest deines Lebens keinen Wein mehr trinken kannst? Nur weil du nicht imstande bist, eine Flasche zu öffnen?”

    Gaby war froh, daß Ingrid ihr Gesellschaft leistete. Sie hatte es ihr spontan angeboten. “Ich bleibe gerne während der Operation bei dir. Stundenlang alleine im Krankenhaus herumzusitzen, das ist doch nichts.” Am Abend vor der Operation war sie mit dem Zug gekommen. Ihr unbefangenes Geplauder über ihre Kinder, die Probleme im Elternrat und die schlechte Gesundheit ihrer Mutter, glitt zum Teil an Gaby vorbei, zum Teil lenkte es sie ab.
    Gaby hatte nach Huberts mißglücktem Versuch, ihr zu zeigen, wie man einen Korken zieht, einen Weinkrampf bekommen. Die Fassade ihrer Gelassenheit war zusammengebrochen, wie ein mühsam aufgebautes Kartenhaus bei dem ersten Windhauch. Allein die Idee, ohne ihn weiterleben zu müssen, ließ sie in Panik erstarren. Sie konnte einfach nicht ohne ihn leben. Sie war weder körperlich noch psychisch dazu in der Lage. Das bewies doch ganz deutlich Huberts unschuldiger Vorschlag, endlich zu lernen, wie man eine Weinflasche öffnet. Er meinte es gut mit ihr, dachte auch in dieser Situation noch an sie! Sie begann wie eine Irre zu schluchzen. Sie war unfähig, unselbständig, labil, schwach. Zu was taugte sie eigentlich? Konnte sie Hubert eine Stütze sein? Vielleicht doch, denn als sie ihn fragte, ob sie morgens, vor der Operation, noch einmal kommen sollte, hatte er sie mit einem eigenartigen Blick angesehen. “Ja, Kleines, ich will dich noch einmal sehen.” Ihr Magen hatte sich zusammengekrampft, wie er das sagte. So, als rechne er damit, daß etwas passieren könne. Doch dann hatte er das Thema gewechselt. Ihr aufgetragen, daß sie nicht vergessen dürfe, sofort nach der gelungenen Operation seine Mutter anzurufen. “Ich möchte nicht, daß sie sich Sorgen macht. Ansonsten habe ich deine Nummer vom Hotel durchgegeben. Unsere Freunde und Bekannten werden bei dir anrufen.”
    Ingrid kam morgens mit ins Krankenhaus. Sie durfte zwar nicht mit ins Zimmer, aber sie wartete im Gang auf Gaby. Hubert war für die Operation vorbereitet. Seine Haare waren verdeckt unter einer grünen Kappe, sein Schlafanzug ersetzt durch ein grünes Operationshemd. Sie nahm seine Hand. “Es wird alles gutgehen”, sagte sie und war in diesem Moment auch davon überzeugt. Er war viel zu stark, um den Eingriff nicht gut zu überstehen. “Natürlich”, sagte er und lächelte sie liebevoll an. “So schnell wirst du mich nicht los. Wir feiern noch zusammen unsere Goldene Hochzeit. Küß mich”, sagte er und nahm sie fest in die Arme. “Es wird Zeit, Herr Gerken.” Eine Schwester trat ans Bett. Bis zum Fahrstuhl folgte Gaby der Schwester, die das Bett geübt vor sich her schob. Hubert hielt Gabys Hand. “Wenn ich die Augen aufmache, will ich dich an meinem Bett sehen”, sagte er und winkte ihr noch einmal zu, bevor sich die Fahrstuhltür schloß.
    “Er hat Abschied genommen, als fahre er in die Firma”, erzählte sie Ingrid, als sie benommen das Krankenhaus verließen. Es hatte keinen Sinn, sechs Stunden im Wartezimmer auf das Resultat der Operation zu warten. Ingrid hatte vorgeschlagen, ein wenig über den Markt zu schlendern, der heute auf dem Platz vor der Kirche seine Zelte aufgeschlagen hatte, dann irgendwo eine Tasse Kaffee zu trinken und mittags ins Krankenhaus zurückzukehren. Gaby war alles recht, solange sie nicht daran denken mußte, was in diesem Moment mit Hubert geschah. “Ja, gewinkt hat er, gelächelt, als wäre es ein Tag wie jeder andere”, wiederholte sie nachdenklich. Gaby

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