Zuckerpüppchen - Was danach geschah
keine Besuchsstunde’ , hat er zu seiner Freundin gesagt. ‘Abends regt mich Besuch zu sehr auf, bekam seine Frau zu hören. Bei jedem Besuch schwitzt er Blut und Wasser, daß sich eine der beiden nicht an seine Wünsche hält und plötzlich in der Tür steht. Wir nehmen sogar an, daß wegen dieser Spannung sein Fieber nicht sinkt.”
“Warum haben Männer nicht genug an einer Frau?” Gaby sah zu Daniel, der andächtig an einer Mohrrübe knabberte. Seine Zähne gruben sich in die Wurzel, und wie ein kleines Kaninchen schabte er Lage für Lage ab. “Angst”, sagte Jean und warf eine geschälte Kartoffel in hohem Bogen in den mit Wasser gefüllten Topf, weil Daniel dann vor Freude laut auflachte. “Ich glaube, daß Männer ganz einfach Angst vor Frauen haben. Wenn sie sich einer Frau ausliefern, ihr mehr Zugang zu sich gestatten, könnte diese Frau es mißbrauchen. Sie pochen auf ihre Macht, weil sie alleine ohnmächtig sind.”
Gaby zog zweifelnd die Schultern hoch. Hubert kam ihr alles andere als ohnmächtig vor. Über alles hatte er eine deutliche Meinung; wenn sie etwas gegen seine Vorstellung tun wollte, konnte er auf eine unnachahmliche Art und Weise seine Augenbrauen runzeln. Man mußte schon sehr standhaft sein, um dann mit ihm noch in Diskussion zu treten. Gaby war nicht standhaft. Sie wollte auch keinen Streit mehr. Die Szenen mit Robbie schmeckten noch immer bitter, und die Zänkereien aus der Anfangszeit ihrer ersten Ehe erschienen ihr unreif und kindisch. Wenn Hubert sie stirnrunzelnd ansah oder ungeduldig aufseufzte, hatte sie das Gefühl, daß ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Wie konnte sie sich mit ihm streiten?
“Glaubst du, daß Hans dir treu ist?” Gaby putzte Daniels Hände trocken, der die geschälten Kartoffeln aus dem Topf grapschte und sie dann wieder hineinplumpsen ließ. “Mein Mann ist mit seiner Arbeit und seinen Hobbys verheiratet”, lachte Jean. “Da hat er keine Zeit für andere Frauen. Eigentlich nicht einmal für mich. Ich würde verrückt werden, wenn ich nur zu Hause sein müßte. Die Wände würden auf mich herabstürzen.”
Vielleicht ist es das, dachte Gaby. Seit ihrem Auszug von zuhause hatte sie immer gearbeitet. Erst hier in Holland war sie nur noch Hausfrau. Die drei Kinder, der Haushalt und die vielen Repräsentationspflichten ließen ihr nicht viel Zeit, um an etwas anderes als an Essen, Kochen und Putzen zu denken. Abgesehen davon, wenn Hubert da war, dann mußte sie auch noch lächeln und lieb sein. Liebsein als Lebensaufgabe.
Jean sah sie prüfend an. “Bei euch ist doch alles in Ordnung?” Sie war die einzige von ihren Freundinnen, die nicht gleich vor Entzücken die Augen verdrehte, wenn Huberts Name fiel. “Mir ist er zu perfekt”, hatte sie einmal gesagt. “Immer lächeln, immer freundlich, das kann doch nicht normal sein.” Als Gaby erschrocken die Luft angehalten hatte, hatte sie begütigend ihren Arm getätschelt. “Schau doch nicht wie ein erschrecktes Häschen. Ich muß doch nicht mit ihm leben. Das bist du doch. Aber wenn einmal etwas ist, auf mich kannst du immer rechnen.”
Jean hatte nicht geahnt, wie nötig ihre Hilfe für Gaby noch sein würde.
Dieses Bild würde sie ihr ganzes Leben nicht mehr vergessen. Sie konnte es immer wieder vor ihrem inneren Auge abrufen, und immer wieder spürte sie die warme Spätsommersonne auf ihrer Haut, Huberts Arm um ihre Schultern, ihre bloßen Füße im feinen Sand. Vor ihnen spielte Daniel mit einer kleinen Schaufel, ein tiefblauer Himmel reichte bis weit in die Unendlichkeit. “Liebes”, sagte Hubert, und er verstärkte den Druck seiner Hand, “ich möchte gerne noch ein Kind von dir.” Gaby schloß die Augen und legte den Kopf ein wenig in den Nacken, damit die Sonne auch ihr Gesicht liebkosen konnte. Sie lauschte seinen Worten nach. “Ich möchte gerne noch ein Kind von dir.” Er wollte sich noch mit einem weiteren Kind an sie binden. Von ihr wollte er noch ein weiteres Kind. Dies war die Wirklichkeit. “Ich liebe dich”, sagte er leise. Oh Gott, lieber Gott, ich danke dir. Sie schlang beide Arme um seinen Hals, mit einer Heftigkeit, daß er beinahe sein Gleichgewicht verlor und sich im Sand abstützen mußte. “Hubert, ich bin so glücklich.” Sie warf sich an ihn und öffnete ihre Augen weit. Dieses Bild vollkommenen Glückes wollte sie in sich aufnehmen. Hubert dicht neben ihr, Daniel, der sich mit strahlendem Lächeln zu ihnen umdrehte. “Mammi lieb, Pappi
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