Zuckerpüppchen - Was danach geschah
herrschte, etwas nachließ, wenn beide schweigend zusammen eine Tasse Tee tranken. “Fahrt ihr nur in Urlaub”, hatte sie gesagt, ich bin mit achtzehn Jahren ja wohl in der Lage, allein mit Manfred im Haus zu bleiben. Vielleicht kann Birgit hier einmal schlafen?” fügte sie noch zögernd hinzu. Gaby sah, daß sich bei den letzten Worten eine fleckige Röte auf dem Hals ihrer Tochter ausbreitete. Sie schluckte die Spannung hinunter. “Natürlich kann Birgit hier schlafen. Ich bin froh, wenn du nicht alleine bist.” — “Hauptsache, Manfred hält sich da raus. Wir legen keinen Wert auf seine Gesellschaft.” Das Verhältnis zwischen den Geschwistern war nicht gut. Natalie stampfte Manfred verbal in Grund und Boden, und Manfred versuchte, sich mit purer Gewalt an seiner zwei Jahre älteren Schwester zu rächen. Gaby, der jede Art von Gewalt ein Greuel war, wußte manchmal nicht, wie sie die Streithähne auseinander bekommen sollte. Warum sind die beiden Großen so aggressiv, fragte sie sich oft. Haben sie doch das Gefühl, zu kurz zu kommen? Sind es die Erinnerungen an ihren Vater? Oder sind da aggressive Erbanlagen vorhanden? Auf jeden Fall machte es ihnen beiden nichts aus, daß Gaby und Hubert mit Daniel und dem Baby vierzehn Tage in Urlaub fahren wollten. “Haben wir auch Ruhe vor dem kleinen Schreihals”, hatte Manfred gesagt und Alex im Vorbeigehen einen zärtlichen Nasenstüber gegeben.
Wie schwierig das Verhältnis zwischen Natalie und Manfred auch war, die beiden Kleinen wurden zärtlich von ihnen geliebt. Sie erinnerte sich an ihr eigenes Entzücken, als sie das erstemal die kleinen Fingerchen ihres Brüderchens Mark umschlossen hatte. Jetzt habe ich jemand zum Liebhaben, hatte das Kind Gaby gedacht und ihr Gesicht an seinem Hals vergraben. Vielleicht ging es ihren beiden großen Kindern ähnlich? All die Zärtlichkeit, die in ihnen war und die sie nicht zeigen konnten, bekamen Daniel und Alex zu spüren. Und auch der unruhige kleine Quäker Alex ließ es sich wohlig gefallen, wenn er morgens ins Bett zu Natalie oder Manfred gelegt wurde und eine ausgiebige Spiel- und Schmusepartie begann. “Auf dem Weg nach La Gueglia übernachten wir einmal bei meiner Mutter”, hatte Hubert beschlossen. “Sie hat den kleinen Alex ja auch noch nicht gesehen.” — “Ja, natürlich”, sagte Gaby. Cornelia hatte in der Zwischenzeit auch wieder ein Baby bekommen. Ein kleines Mädchen. Huberts Mutter war sofort zu ihrer Tochter gefahren. “Sie macht sich solche Sorgen”, erzählte Hubert ihr beim Mittagessen. “Die kleine Dagmar hat eine Darmabweichung und muß operiert werden.” — “Ja, furchtbar”, sagte Gaby. Allein der Gedanke, wenn ihr Alex operiert werden müßte! Andererseits war es großartig, was für schwierige Operationen heutzutage durchgeführt werden konnten. “Deswegen hat Mutter sich auch noch nicht weiter um Alex kümmern können”, hatte Hubert seine Mutter entschuldigt. “Du weißt ja, wie es sie trifft, wenn etwas mit ihrer Tochter ist.” Gaby nickte. Für ihre Schwiegermutter zählten nur ihre eigenen Kinder, das hatte sie inzwischen schon begriffen. War vielleicht auch natürlich. Obwohl das bei Robbies Mutter anders gewesen war. Sie hatte noch immereinen herzlichen Kontakt zu ihr. Wenn ich mir viel Mühe gebe, dachte Gaby, wird das auf die Dauer auch mit Huberts Mutter kommen. Alles braucht seine Zeit. Trotzdem war sie froh, daß sie ihren Urlaub nicht bei ihr im Hause verbrachten. Sie wollte endlich einmal mit Hubert allein sein. Nur Hubert, die beiden Kinder und sie. Immer und überall waren andere um sie herum, ihre Kinder, seine Kinder, Freunde, Bekannte und in letzter Zeit immer mehr Geschäftsfreunde, für die sie sozusagen im Handumdrehen ein Fünf-Gänge-Menü auf den Tisch bringen sollte. “Du machst das schon”, sagte Hubert und schenkte dann schon einmal den Genever ein. “Ich weiß doch, daß du zaubern kannst.” Gaby freute sich einerseits über sein Vertrauen, andererseits zitterte sie immer mehr. So sehr, daß Professor de Ruiter sie bei der letzten Kontrolluntersuchung gewarnt hatte. “Zwei Fehlgeburten und ein Kaiserschnitt in zwei Jahren sind kein Pappenstiel. Denken Sie jetzt einmal an Urlaub. Am besten im Süden!” Und Hubert hatte genickt. “Ein Urlaub im Süden, jetzt im Herbst, ja, das ist bestimmt eine gute Idee.”
Das kleine Hotel lag direkt am Strand. Die Fassade mit den vielen Schnörkeln, weiß verputzt, gab dem Haus etwas
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