Zuckerpüppchen - Was danach geschah
wunderbar im Bett sein mußte. Sie war für Gaby die typische Mutter und Hausfrau, die alles Sexuelle mit in Kauf nahm, sich aber nicht dafür begeistern konnte. Und Gaby begriff sie nur zu gut. Wenn sie selbst nicht das unwahrscheinliche Glück gehabt hätte, Hubert kennenzulernen, wäre es für sie auch nur etwas gewesen, das man geschehen ließe, nichts, das man als Frau auch will und das man genießen kann. Galt es nicht lange Zeit als anstößig, wenn eine Frau während der sexuellen Gemeinschaft Lust empfand? Eine anständige Frau ließ es geschehen, es war unumgänglich, um Kinder zu gebären, aber die Lust holte sich der Mann bei Dirnen und anderen “schlechten” Frauen. Und gab es nicht auch in unserem Jahrhundert noch afrikanische Stämme, die den Frauen die Klitoris beschnitten, damit jede Lust im Keim erstickt wurde? Frauen als totaler Besitz des Mannes, die eine lustvolle Frau als Bedrohung ihrer eigenen Männlichkeit sahen?
“Sag, daß du es schön findest”, hatte Pappi gekeucht, als er mit brutaler Gewalt in sie eindrang. Ob er je gedacht hatte, daß sie es schön finden konnte? Was für Vorstellungen hatten Männer, wenn sie glaubten, daß Angst und Gewalt Lust hervorrufen würden?
Hubert hatte auch seine Phantasien. Aber die hatten nichts mit Gewalt zu tun. Und er betonte immer wieder, daß er nichts tun würde ohne ihre Zustimmung. Seine Wünsche machten ihr auch angst, aber sie mußte versuchen, sie tatsächlich als Beweis seiner Liebe zu sehen.
Daß er sie liebte, bewies er ihr einige Tage später eindeutig. Zumindest war es für Gaby in diesem Moment ein eindeutiger Liebesbeweis. “Ich will mit dir reden”, hatte er nach dem Abendbrot gesagt, sie am Arm genommen, auf die Couch gedrückt, ihr einen Martini eingeschenkt und für sich selbst einen Genever. Gabys Herz machte gleich ein paar ängstliche Sprünge. Was geschieht jetzt? Was will er von mir? Was soll ich tun? Als er mit seinem Vorhaben herausrückte, schämte sie sich. Sie war doch unverbesserlich. Immer wieder ihr Argwohn. Nichts sollte sie tun. Nichts Schlimmes geschah. Im Gegenteil.
“Hier gegenüber, das Haus von Janssens, wird zum Kauf angeboten. Ich habe das heute in der Firma gehört. Wie findest du es, wenn ich dieses Haus für uns kaufe?”
“Ein Haus kaufen? Für uns?” Gaby sah ihn groß an. “Können wir uns das denn erlauben?” Sie wußte nicht, was Hubert verdiente. Sie bekam ihr Haushaltsgeld. Das war zwar im Laufe der letzten sechs Jahre glücklicherweise erhöht worden, weil Hubert verschiedene Gehaltserhöhungen bekommen hatte, aber wie hoch sein monatliches Einkommen wirklich war, blieb im dunkeln. Wenn sie ihn vorsichtig danach fragte, lachte er vage. “Wenn ich das wüßte, wäre ich schon einen Schritt weiter. Du müßtest unterscheiden zwischen dem, was auf meiner Gehaltsabrechnung steht, und dem, was ich wirklich bekomme.” Bevor Gaby ihren Unmut (sie wußte von ihrer kaufmännischen Ausbildung als Reedereikaufmann natürlich den Unterschied zwischen Brutto- und Nettoeinkommen) deutlich ausdrücken konnte, fuhr er schon fort, daß das bei ihm nicht so einfach sei; er müsse schließlich viel Unterhalt an Charlott und die Kinder zahlen, und der Unterhalt an die Kinder müsse versteuert werden, der an die frühere Ehefrau nicht — also was letzten Endes für ihn unter dem Strich übrigbleiben würde, das sei eine Frage von guten Steuererklärungen und verschiedenen anderen, nicht ganz deutlichen Faktoren.
Gaby hatte diesen Bandwurm von Erklärungen akzeptiert. Auch aus dem Gefühl heraus, daß er, ohne viel zu murren, für Natalie und Manfred sorgte. Sie bekam, wie Hubert hin und wieder richtig feststellte, leider keinen Unterhalt von Robbie. Der war auch nicht in der Lage dazu, weil er als Alkoholiker selbst sozusagen in der Gosse lag und von der Hand in den Mund lebte. Eine Tatsache, die Gaby bedrückte. Hätte sie doch länger bei ihm bleiben müssen? Wäre er mit ihr zusammen auch so schnell abgerutscht? War es richtig gewesen, in erster Linie das Wohl ihrer Kinder und ihr eigenes im Auge zu haben? Konnte man ihr vorwerfen, daß sie Gewalt nicht mehr hatte ertragen können? Nicht für sich selbst und nicht für ihre kleine Tochter? Oder noch schlimmer: Mußte sie es sich vorwerfen?
Sie hatte geglaubt, das Richtige zu tun. Er mußte selbst vom Alkohol wegwollen. Ihre eigenen Versuche, ihn zu bewegen, in eine Therapie zu gehen oder sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen, hatten bei ihm
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