Zuckersuesse Todsuenden
zwar gruselig, aber er schien kein schlechter Mensch zu sein, und es gefiel mir nicht, dass er entführt worden war.
»Wulf wird doch nicht die Todeskralle einsetzen, oder?«
»Nicht, solange er Lenny braucht«, erwiderte Diesel. »Ein Toter kann ihm nicht verraten, wo der Schatz verborgen ist. Wenn wir nicht hier gewesen wären, wäre Wulf sicher geblieben und hätte Steven Hatchet das Haus durchsuchen lassen.«
»Und was nun? Sollen wir Wulf verfolgen und es dann mit ihm ausfechten?«
»Das wäre die Kinoversion. Im echten Leben werden wir uns den Rest des Hauses vornehmen und nach dem Erbstück suchen.«
Mir gefiel keine der beiden Versionen. Ich wollte zurück zu meinen Muffins.
»Die Muffins können warten«, bemerkte Diesel. »Lass uns oben anfangen.«
KAPITEL
12
I m oberen Stockwerk gab es drei Schlafzimmer. Ich betrat das größte, drehte mich sofort wieder um und stieß mit Diesel zusammen.
»Geh mir aus dem Weg«, befahl ich. »Du bringst mich nicht dazu, dort hineinzugehen.«
»Doch, das werde ich«, widersprach er. »Sieh nur, wie groß und stark ich bin. Und ich bin nicht zimperlich.«
Auf dem zerwühlten Bett lagen verknitterte Laken und verklumpte Kissen ohne Bezüge. Überall waren leere Schnaps- und Bierflaschen verstreut. Schubladen standen offen, und Wäschestücke quollen heraus. Schmutzige Klamotten bedeckten den Fußboden, und dazwischen sah ich zerknüllte Fast-Food-Verpackungen, halb leere Chipstüten, zwei Kakerlaken so groß wie Laborratten, die ihre Füße zur ewigen Siesta nach oben streckten, und ein weiteres Gummihuhn.
»Ich werde nichts davon anfassen«, erklärte ich Diesel. »Und vor allem werde ich nichts von den Sachen anrühren, die am Türknauf hängen.«
Diesel warf einen Blick auf den Türgriff. »Das ist Unterwäsche.«
»Ihh!«
»Der Typ ist Single«, bemerkte Diesel. »So leben alleinstehende Männer nun mal.«
Ich starrte ihn mit offenem Mund an, und für einen Augenblick spiegelten meine Augen Unverständnis wider.
»Ich natürlich nicht.« Diesel grinste. »Aber einige alleinstehende Männer.«
Ich verdrehte in Gedanken die Augen. »Wo sollen wir anfangen?«
»Such nach etwas, worin der Zauberstein versteckt sein könnte, und pass auf, dass du dich dabei nicht in die Luft sprengst.«
Ich arbeitete mich vorsichtig durch die Unordnung, testete Armbanduhren, Schuhe, Bierflaschen, Gürtelschnallen und das Gummihuhn. Nichts glühte oder fühlte sich warm an.
»Das hat doch keinen Sinn«, sagte ich zu Diesel. »In diesen Sachen finden wir es nicht. Wir sollten nach einer Sprengfalle suchen.«
»Eine gute Sprengfalle erkennt man leider meistens erst, wenn es bereits zu spät ist«, gab Diesel zu bedenken.
»Hast du damit Erfahrung?«
»Ja, und das ist normalerweise nicht angenehm.«
Es dauerte ziemlich lang, bis wir mit dem großen Schlafzimmer fertig waren, aber in dem zweiten und dritten Raum kamen wir schneller voran. Dort standen keine Möbel mehr, und nur einige Abdrücke im Teppich zeugten davon, dass die Zimmer einmal bewohnt gewesen waren.
»Sieht ganz so aus, als hätte die Dame des Hauses bereits eine LKW-Ladung abtransportiert, bevor Lenny überhaupt wusste, dass sie auszog«, bemerkte Diesel. »Viel hat sie ihm nicht übrig gelassen.«
Wir gingen nach unten und durchsuchten das Wohnzimmer. Das war nicht schwer, denn das Mobiliar bestand nur noch aus einer braunen Ledercouch und einem dazu passenden Sessel, die beide schon bessere Tage gesehen hatten. Wahrscheinlich hatte Lenny die Sachen auf einem Flohmarkt gekauft, nachdem seine Exfrau die guten Sachen mitgenommen hatte. Im Esszimmer gab es gar keine Möbelstücke mehr. Also blieb nur noch die Küche, und dort hatte ich bereits alles in der Hand gehalten, was nicht niet- und nagelfest war.
»Lass uns einen Augenblick darüber nachdenken«, meinte Diesel. »Wir haben die Anfass-Routine durchgezogen, und ich habe meine Augen nach allen Dingen offen gehalten, die auch nur im Entferntesten auf eine Sprengfalle oder ein Versteck hindeuten könnten. Was haben wir übersehen?«
»Vielleicht befindet es sich nicht im Haus. Möglicherweise ist es in seinem Wagen oder in seinem Büro.«
»Falls er wirklich betrunken war, als er sein Erbstück versteckt hat, ist er damit nicht weit gegangen. Ich glaube, das schließt sein Büro und sein Auto aus. Wahrscheinlich hat er die Sprengladung angebracht, als er noch einigermaßen nüchtern war, und ist dann mit einer Flasche Schnaps in der Hand im Haus
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