Zügel der Leidenschaft
weil die rutschige Buchseite immer wieder den kleinen Patschhändchen entglitt.
»Hier ...« Das nächste Bild tauchte auf. Baby May quietschte vor Vergnügen, als Peter Rabbit sich unter Mr. McGregors Gartentörchen hindurchquetschen konnte. »Und jetzt ist er bald zu Hause in seinem warmen kleinen Bettchen«, schloß Angela leise.
»May auch grünes Bett«, erklärte die Kleine strahlend.
»Ja, du hast genauso eins, mein Liebling.« Baby Mays Bett war haargenau nach den Illustrationen von Beatrix Potter angefertigt und bemalt worden.
»May nich' schlafen ...« sagte die Kleine rasch und schüttelte energisch den Kopf, um die Schlafenszeit noch ein wenig hinauszuschieben.
»Wir lesen zuerst die Geschichte zuende.«
»May nich' müde ...«
»Du brauchst ja noch nicht zu schlafen, Kleines, aber wenn du so müde wirst wie Peter Rabbit, dann bringt dich Bergie zu Bett.«
»May bei Mama schlafen!«
»Vielleicht später – Mama hat Gäste zum Essen, und ich muß mich zuerst um sie kümmern.«
»Bergie in Mamas Bett bringen.«
»Bergie kann dich später hinüberbringen«, stimmte Angela zu und umarmte ihre kleine Tochter. »Und morgen früh gehen wir hinab zum Wasser.«
»Baby kommt auch«, sagte May und streckte ihr die Puppe entgegen, die sie an einem Bein hielt. »Puppe schwimmen.«
Da öffnete sich die Tür, und eine junge Frau erschien auf der Schwelle.
»Es ist acht Uhr, Mylady«, sagte die Kinderfrau. »Sie wollten, daß ich Ihnen Bescheid sage.«
»Mama muß sich jetzt umziehen, Liebling. Gib deiner Mama noch einen Gutenachtkuß und weck mich morgen früh.«
»Ganz, ganz früh?«
»So früh du willst.« Angela gab ihrer Tochter einen Gutenachtkuß, erhob sich in einer Wolke aus blauer Seide und Parfum und trat durch die Zwischentür in ihr Schlafzimmer.
Dort wartete ihre Zofe; das Kleid, das sie bereits ausgewählt hatte, lag auf dem Bett, der Schmuck wartete ausgebreitet auf der Spiegelplatte ihres Frisiertisches.
»Ihre Gäste werden in einer halben Stunde da sein, Mylady, und wenn wir hier in der feuchten Luft Probleme mit der Frisur haben ...«
»Dann müssen meine Gäste einfach warten, Nellie. Mach dir keine Sorgen. Immerhin sind wir hier in den Sommerferien, und da der Prinz nicht kommt, können wir die Regeln heute abend ein wenig lockern.«
»Aber Sie wissen doch, wie die Herzogin von Belton sich immer beklagt, wenn das Essen nicht pünktlich serviert wird.«
»Sollte es länger dauern, sage ich dem Butler, daß er ihr Champagnerglas wohl gefüllt hält, bis ich nach unten komme. Sarah ist von der Qualität meines Weinkellers immer ganz begeistert.«
»Dann wird sie aber gegen Ende des Essens ziemlich beschwipst sein.«
»Ist sie das nicht immer?« erwiderte Angela lächelnd, während sie sich vor dem Frisierspiegel niederließ. »Aber wir sind inzwischen alle an Sarah gewöhnt. Lassen wir die Haare heute abend ziemlich einfach, Nellie«, fuhr sie fort. »Ich bin nicht in Stimmung für einen Kopf voller Haarnadeln.«
»Möchten Sie einen Chignon mit einer Schleife, wie ich ihn für den Ball bei den Devonshires letztes Jahr zu Weihnachten aufgesteckt hatte?«
»Wunderbar! Mit einer weißen oder einer grünen Schleife?«
»Einer grünen, Mylady, die paßt zu der Schärpe Ihres Kleides.«
Während Nellie ihr dichtes Haar bürstete, versuchte Angela sich einzureden, daß das Essen heute abend sich in keiner Weise von den hundert anderen in der Vergangenheit unterschied. Sie hatte sich seit der Rückkehr von der Regatta mit May beschäftigt, was ihr half, die verführerischen Bilder von Kit Braddock zu verbannen, die andauernd vor ihrem inneren Auge aufstiegen. Sie hatte sich auf die Spiele mit ihrer Tochter konzentriert, wenn sie auftauchten, und die ungewollten Erinnerungen unterdrückt. Mr. Braddock war in der Tat ein fantastisch aussehender Mann, aber sie konnte es nicht zulassen, sich davon angezogen zu fühlen. Heute abend kam er als Begleiter von Priscilla – als Priscillas zukünftiger Ehemann, wenn die Pembrokes seine Aufmerksamkeiten richtig deuteten. Ungeachtet seiner faszinierenden Männlichkeit stand er nicht zur Debatte.
Doch ihre Wangen waren vor Erregung gerötet, als sie für einen letzten prüfenden Blick vor den großen Spiegel trat, ehe sie zu ihren Gästen hinabging, und das Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Sie sehen heute abend einfach umwerfend aus«, sagte Nellie mit einem zufriedenen Seufzer. »Wie ein Traum.«
Angela trug ein Abendkleid von Worth aus
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