Zügel der Leidenschaft
Namen auf das zerrissene Blatt Papier, richtete sich dann mit einer raschen Drehung wieder auf und stach Brook mit aller Kraft die spitze Stahlfeder ins Gesicht. Tief bohrte sich das Schreibinstrument unter einem Auge in seine Wange. Sein Schrei hallte durchs ganze Haus.
Angela hatte sich bereits zur Flucht gewandt, als er sich die Feder aus dem Fleisch riß und brüllte: »Schießen!«
In den folgenden wirren Sekunden ließ sich Kit zu Boden fallen, um einen der Revolver aufzuheben, und sprang auf Angela zu. Eine Kugel pfiff über ihn hinweg. Er schnappte Angela mit dem rechten Arm um die Taille, rollte sich nach links und ließ sich fallen, wobei er den Sturz mit seinen breiten Schultern abfing.
Er hatte sein Ziel bereits anvisiert, und die erste Runde erwischte den Mann im Fenster, der mit offenem Mund ins Zimmer stürzte: Sein überraschter Schrei wurde vom Tod unterbrochen.
Im nächsten Sekundenbruchteil feuerte er auf den Mann neben Haversham, der zu Boden ging, noch ehe es ihm gelang, den Anwalt als Schutzschild vor sich zu ziehen.
Brook sparte er sich bis zum Schluß auf.
Ein mörderischer Impuls trieb Kit, seine Schüsse so zu plazieren. Er wollte völlig unbedroht zusehen können, wie die tödliche Kugel in de Graes Herz sank und ihn zerriß.
De Grae hatte Chambers's zweiten Revolver aufgehoben. Das war gut! Kit hätte ihn auch so erschossen, aber nun war es reine Notwehr. Kit kostete das Vergnügen einen Sekundenbruchteil lang aus, ehe er den Hahn zog, als sei es eine besondere Tugend, einen so furchtbaren Menschen auszulöschen.
Es schenkte ihm eine ungeheure persönliche Befriedigung, den Schock auf Graes Zügen zu sehen, als die achtunddreißiger Kugel ihn traf und ihm den halben Kopf wegblies. Leblos sank sein Körper zu Boden.
Endlich, dachte Kit, der immer noch neben Angela auf dem Boden lag. Der Geruch von Pulver hing schwer in der Luft, und der laute Rückschlag der Schüsse hallte in seinen Ohren. Adrenalin pumpte wie wahnsinnig durch seine Adern.
Es war geschafft!
Er legte die Waffe beiseite und richtete sich auf, hob Angela auf seinen Schoß und nahm sie in den Arm. »Ich hatte keine andere Wahl, als ihn zu töten. Er hätte sonst uns erwischt.« Er sprach mit völlig tonloser Stimme, als müsse er die tiefe Befriedigung in seiner Seele verbergen.
»Du braucht dich nicht zu entschuldigen«, flüsterte Angela, die erst jetzt zu zittern begann: Noch nie war sie dem Tod so knapp entronnen. Die Ereignisse waren wie ein entsetzlicher, langsamer Blitz in ihre Erinnerung geprägt.
»Sie haben uns das Leben gerettet«, rief Mr. Haversham mit zittriger Stimme aus. Er bebte am ganzen Körper und mußte sich an einer Stuhllehne festhalten.
»Wir brauchen die Polizei«, sagte Kit gelassen und erhob sich mit Angela auf den Armen. Chambers' Revolver blieb auf dem Teppich liegen. Mit raschem Blick überflog er das Blutbad. »Man muß seine Familie benachrichtigen.«
Haversham schluckte schwer, ließ den Stuhl los und richtete sich auf. »Darum kann ich mich kümmern, Mr. ...?«
»... Braddock«, sagte Kit. »Ich danke Ihnen. Wie Sie sehen, hat die Gräfin einiges durchgemacht«, fuhr er in jenem verbindlichen Gesprächston fort, den Chambers mehr als einmal gehört hatte, wenn Aufgaben verteilt wurden. »Ich würde sie gern so bald wie möglich nach London zurückbringen.« Angelas Gesicht war aschfahl. »Wenn Sie sich um die Vorkehrungen hier vor Ort kümmern würden, wären wir Ihnen sehr verbunden.«
»Aber gewiß. Alfred Haversham steht Ihnen gern zu Diensten, Sir«, sagte der ältere Herr mit einer Verbeugung. »Er war ein furchtbarer Mensch«, fügte er kopfschüttelnd hinzu. »Verzeihen Sie, Mylady, wenn ich Ihnen unfreiwillig geschadet habe«, entschuldigte er sich dann. »Ich hatte keine Ahnung ...«
»Ich verstehe«, erwiderte Angela und versuchte, den reumütigen Mann anzulächeln. »Machen Sie sich keine Vorwürfe. Sie konnten das nicht wissen.«
Dann unterbrach das Geräusch von Schritten in der Eingangshalle ihr Gespräch, und einen kurzen Moment lang senkte sich Angst auf die Anwesenden. Kit schätzte rasch den Abstand zu seinen Revolvern ab und überlegte, ob er Angela besser vorher absetzte.
»Haversham?« rief da eine Stimme.
Der alte Anwalt lächelte. »Unser Dorfgendarm«, sagte er. »Wir werden uns um die Abwicklung hier kümmern.«
»Wenn Sie uns einen Fahrer für die Kutsche der Gräfin finden könnten«, schlug Kit höflich vor, »wären wir Ihnen außerordentlich
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