Zügel der Leidenschaft
sehr zur Schau.«
»Ein wenig wie Joe Manton.«
»Aber ganz und gar nicht wie Joe!« widersprach Violet mit einem gezierten Schnauben. »Ihr Männer seht immer nur die oberflächliche Erscheinung.«
»Inwiefern ist er denn anders?«
Violet grinste. »Zum einen, Joe hatte keinen Harem.«
Souveral lachte. »Abgesehen von diesem deutlichen Unterschied sind beide athletisch und beide segeln gern; ich weiß nicht, ob Kit gern zur Jagd geht, aber vermutlich tut er das gelegentlich auch bei dem ungeregelten Leben im Westen.«
»Das sind doch bloße Nebensächlichkeiten«, wandte Violet ein.
»Im Vergleich womit?«
»Im Vergleich mit Mr. Braddocks verführerischem Charme. Sie wissen, Angela und Joe waren zuerst Freunde. Diese Freundschaft vermißt sie am stärksten.«
»Sie waren aber auch ein Liebespaar.«
»Natürlich. Aber sie sind zusammen aufgewachsen, weil ihre Anwesen aneinander grenzten. Was sie bindet, ist etwas ganz anderes als Mr. Braddocks sensationelle körperliche Anziehungskraft. Sie wird ihn natürlich abblitzen lassen. Wegen Charlotte.«
»Sind Sie denn so sicher, daß er sich um sie bemühen wird?« meinte Souveral mit einem spekulativen Lächeln.
»Nun gut, Mr. Braddock hat vielleicht nicht die Gewohnheit, sich um eine Frau zu bemühen, weil es so viele in seinem Leben gibt, aber Angela wird ihn trotzdem abblitzen lassen.«
»Wirklich?« Der Botschafter behielt seine Meinung nach dem aufregenden Blickwechsel beim Essen lieber für sich.
»Vertrauen Sie auf mein Urteil, Freddy. Inzwischen verspricht die Geschichte sehr unterhaltsam zu werden.
Denn gleich, wie die heißblütige Werbung von Mr. Braddock endet, Priscilla bekommt ihn mit Sicherheit nicht. Und ich werde nichts dagegen haben, meinen Wettgewinn von Ihnen einzustreichen.«
»Aber Sie werden sich erinnern, daß er tatsächlich nach einer Ehefrau sucht.«
»Er denkt, er sucht nach einer Ehefrau«, entgegnete Violet mit einem überheblichen Blick zu Souveral. »Männer wie Mr. Braddock unternehmen niemals wirklich diesen letzten, fatalen Schritt. Irgendwann wird er einfach wieder die Segel setzen ... Hmmm ... die Blumen«, murmelte sie beim Betreten des Salons. »Angelas Häuser duften immer so wunderbar.«
Der Salon öffnete sich auf einen Balkon, der den Solent überblickte; eine Seebrise wehte durch die geöffneten Türen herein und vermischte sich mit dem schweren Duft von Gardenien, Wicken und Rosen, die in mehreren großen Kugelvasen im Raum verteilt standen. Angela stand in der offenen Balkontür und starrte in den Nachthimmel.
Beim Eintreten der Freunde wandte sie sich um und sagte: »Die Sterne sind wieder prachtvoll heute abend. Schade, daß wir alle hier drinnen sind und über andere Leute tratschen müssen«, fügte sie seufzend hinzu. »Was für ein schreckliches Leben.« Sie lächelte bemüht.
»Wären Sie heute abend lieber draußen auf See?« fragte Souveral.
»Wäre das nicht himmlisch?« hauchte Angela. »Statt dessen«, fuhr sie mit einer kleinen Grimasse fort, »werden wir mit großem Ernst über nichts anderes als Banalitäten sprechen.«
»Aber meine Liebe«, ermahnte sie Violet ironisch, »da würde Charlotte aber widersprechen. Ihre Pläne, Braddock und sein Vermögen einzufangen, sind alles andere als banal.«
»Für mich schon«, erwiderte Angela leise. »Ach, wie selbstsüchtig das klingt. Verzeiht mir ... aber ich bin etwas rastlos.« Sie schlang ihre Finger so eng umeinander, als wolle sie daran Halt suchen. »In diesem Jahr dauert die Ballsaison unendlich lange. Ich hätte nicht nach Cowes kommen sollen.« Ihre Stimme bebte, als tobe ein Sturm in ihr. »Oh Gott, die anderen werden bald hier sein. Würdest du mir einen Gefallen tun, Violet, und heute abend den Tee einschenken? Ich bin einfach nicht in der Stimmung dazu.«
»Für den Tee oder etwas anderes?« fragte Violet leise, während ihr Blick auf Angelas weiße Knöchel fiel.
Angela stieß einen leisen Klagelaut aus, löste abrupt die Finger voneinander und sagte mit einer ruckartigen Handbewegung auf den prachtvoll ausgestatteten Raum: »Sieh dir das doch an ... wir haben alle den gleichen Innenarchitekten, unsere Häuser sehen einander alle ähnlich, und selbst unsere Leben sind jämmerlich identisch.« Ihr eigenes Leben hatte sich zwar in den letzten Jahren deutlich verändert, seit sie sich stärker dem Bau und der Finanzierung eines landwirtschaftlichen Kollegs und von Grund- und Oberschulen widmete. »Ich bin die ständig gleichen Leute
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