Zügel der Leidenschaft
Verdammt seien er und seine Unverschämtheiten! Warum reagierte sie so heftig auf einen Mann, dem sie gerade erst begegnet war?
»Es ist so langweilig, mit Wales Bridge zu spielen, wenn er erwartet, stets zu gewinnen, findet ihr nicht auch?« fragte Lady Violet verdrießlich.
Als Angela nicht sofort darauf antwortete, warf Souveral – dem in Gesellschaft niemals auch nur das leiseste Augenzwinkern entging und der auch diesmal aufgepaßt hatte – diplomatisch ein: »Da Sie nur selten spielen, liebe Angela, müssen Sie zugeben, daß Violet mehr als üblich unter den komischen Spielregeln von Wales zu leiden hat.«
»Ja, Violet, wie schrecklich für dich«, erwiderte Angela, die ihre Haltung teilweise wiedergewonnen hatte; sie war dankbar für Souverals glattzüngigen Einwurf und fühlte sich inzwischen weniger gefährdet durch Kit Braddocks Jägerblick. »Ich verspreche dir, heute abend brauchst du kein Bridge zu spielen.«
»Wie tröstlich. Statt dessen können wir uns den Spaß machen, Charlotte zuzusehen, wie sie Priscillas Zukünftigen an die Kandare bringt«, meinte Violet amüsiert. »Sie geht so ungeheuer plump dabei vor. Wenn ich noch ein einziges Mal mit anhören muß, wie anmutig sich Priscilla auf dem Tanzboden bewegt, oder die Geschichte, wie sie einen Preis für das beste Aquarell vom Leuchtturm in Lyme bekam, werde ich mit Sicherheit die ganze Gesellschaft schockieren, weil ich zu schreien anfange.«
»Er ist sehr wohlhabend«, bemerkte Souveral. »Man kann Charlotte keinen Vorwurf daraus machen, daß sie es probiert. Wynmere muß wirklich dringend renoviert werden. Und gewiß sind wir uns doch alle hier der Realitäten von Eheschließungen bewußt.«
Violet zog eine Grimasse. »Erinnern Sie mich nicht daran!« Violet lebte von ihrer großzügigen Mitgift, die ihre Familie klugerweise ihr überschrieben hatte, während ihr Mann, Lord Dudley, systematisch den Rest ihres Vermögens durchbrachte. Und was den Marquis anging, so wurde in portugiesischen Adelskreisen auch nie aus Liebe geheiratet.
»Meint ihr, er meint es ernst?« fragte Angela unfreiwillig neugierig.
»Er?« Der portugiesische Botschafter zog eine Braue hoch.
»Mr. Braddock.« Ihre blauen Augen, die seinem Blick begegneten, sahen ihn bewußt ausdruckslos an. »Er ist viel mit dem Kronprinzen zusammen.«
Souveral gehörte als Favorit des Prinzen von Wales stets zum intimsten Zirkel um den Thronerben. »Mr. Braddock spricht niemals über Frauen.«
»Nicht einmal über seinen Harem?« fragte Violet atemlos.
»Ganz ausdrücklich nicht über seinen Harem. Aber er hat erwähnt ...« Der Blick des Botschafters überflog interessiert Angelas Gesicht. »... daß er bereit sei, in den Ehestand zu treten.«
»Und Charlotte ist entschlossen, das hübsche, rehäugige Schmollmündchen Priscilla noch in dieser Saison an den Höchstbietenden zu verscherbeln«, spottete Baronin Lanley.
»Er kommt mir nicht wie ein Mann vor, den man sich leicht einfängt«, bemerkte der Marquis de Souveral und ließ seine perfekt manikürten Finger am Stiel des Weinglases auf- und abgleiten. »In den letzten zehn Jahren ist er nur um die Welt gesegelt. Das läßt auf einen sehr unabhängigen Geist schließen. Er stammt aus der Braddock-Black-Familie, die Anstand und Sitte insgesamt als zu bürgerlich verachtet. Doch ungeheurer Reichtum erlaubt einem natürlich ein so ungezügeltes Benehmen. Erinnern Sie sich noch an Hazard Black und seinen Sohn Trey, Violet? Sie hielten sich häufig in Frankreich auf. Wir haben sie im Frühling in Longchamps getroffen. De Vec hat eine ihrer Töchter geheiratet, wenn Sie sich erinnern?«
»Obwohl seine Frau den gesamten französischen Richterstand sowie auch den Vatikan hinter sich hatte.« Violet lächelte in Erinnerung an diesen ergötzlichen Skandal.
»Das reichte offensichtlich nicht für de Vec«, meinte Souveral ausdruckslos. »Er schlägt sehr nach den Braddock-Black. Waghalsig bis zum Extrem.« Die dunklen Brauen des Botschafters hoben sich auf seiner hohen Stirn. »Wenn man an Kit Braddocks Geschichte und seine Familienverknüpfungen denkt, dann meine ich, daß Charlotte zu optimistisch darauf baut, ihn für ihre Tochter einzufangen.«
Unerklärlicherweise heiterten die Worte des Marquis Angela auf, auch wenn eine vernünftigere Stimme in ihr sie daran erinnerte, daß ein Mann wie Kit Braddock nichts als Zerstörung hinter sich lassen würde; außerdem hatte Charlotte es sich in den Kopf gesetzt, ihn als Schwiegersohn
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