Zügel der Leidenschaft
ist.«
»Sie sind also überzeugt, daß ich alles maßlos übertreibe?«
»Genau.«
»Und Sie sind bloß ein Gast von Bertie wie jeder andere?«
»So leicht ist das.«
»Und ich brauche mir in Ihrer Gesellschaft keine Sorgen um meinen Ruf zu machen?«
Spöttisch und fragend zog er die Brauen hoch. »Muß ich darauf eine Antwort geben?«
Sie lächelte. »Immerhin sind Sie ehrlich.«
Er grinste. »Und dafür sind Sie verdammt attraktiv, Gräfin Angela. Komm, mach mich glücklich und sieh dir mit mir das Rennen an.«
Wie konnte sie einem so zauberhaften Lächeln widerstehen?
Den Rest des Nachmittags verbrachten sie unten vor den Tribünen auf dem Rasen. Auf den Einfriedungszaun gestützt diskutierten sie die Vor- und Nachteile der einzelnen Vollblüter, jubelten ihren Lieblingspferden und Jockeys zu, setzten Geld und gewannen ein paar Mal.
Sie sprachen über Segeln, die Jagd und Pferdezucht. Kit sprach mit leidenschaftlicher Begeisterung über seine Segeljacht, und als Angela einmal May erwähnte, sagte er: »Ich habe Kinder gern. Meine Schwester rät mir schon seit Jahren, selbst welche zu bekommen.«
»Daher sind Sie in dieser Saison in London auf Brautschau?«
Er lehnte sich auf das Geländer. »Ich kann nicht sagen, -daß mir das sonderlich behagt.«
»Und es verträgt sich nicht mit Ihrer sonstigen Lebensweise?«
»Manchmal finde ich die offene Vermarktung von Frauen viel anstößiger.«
Da wechselte Angela das Thema, denn ihre eigenen Gefühle über die Ehe waren empfindlich. Sie erwähnte einen jungen Bootsbauer in Plymouth, der ihr vor kurzem aufgefallen war.
Und kurz darauf begann ein weiteres Rennen.
Die Freude, die sie aneinander fanden, blieb an diesem Nachmittag nicht unbemerkt. Mehr als ein Zuschauer in der Loge des Prinzen behielt die beiden im Auge.
»Verdammt«, murmelte Olivia, die neben Clarissa Macleish stand und auf die beiden Gestalten hinabblickte, die Winslows gestreckten Galopp auf die Ziellinie anfeuerten. »Als hätte sie nicht schon genug Männer.«
»Er ist doch viel zu jung für sie«, bemerkte Clarissa und schürzte die Lippen verächtlich.
»Offensichtlich ist sie da anderer Meinung«, knurrte Olivia. »Und er allem Anschein nach wohl auch.«
Ein paar Meter neben Olivia und Clarissa sahen Georgina und Joe Manton zu, wie Winslow sein Rennen vom Start bis zur Ziellinie als Erster durchhielt. »Liebling, sieh doch mal Angela und den Amerikaner«, sagte Georgina mit unverkennbar hämischer Stimme zu ihrem Mann. »Sie haben sich nach Winslows Sieg umarmt. Ich habe das Gefühl, sie hat sich in ihn verknallt.«
»Wirklich? Ist mir nicht aufgefallen«, erwiderte Joe gleichgültig. »Wales hat heute abend einen guten Grund zum Feiern. Sein Pferd hat das gesamte Feld um sechs Längen geschlagen.« Er hatte das Paar unten an der Rennbahn zwar voll im Blick, doch Joe hatte nicht die geringste Absicht, Angela mit seiner Frau zu diskutieren. Trotzdem nahm er Kit Braddocks Aufmerksamkeit der Frau gegenüber, die er immer noch als persönlichen Besitz betrachtete, stumm zur Kenntnis, und sein Stirnrunzeln wurde im Laufe des Nachmittags immer tiefer.
»Nun, Souveral ... wird unser Amerikaner die schöne Maid erringen?« nölte der Prinz von Wales eine Weile später, nachdem er die Glückwünsche zu Winslows Sieg entgegengenommen hatte und das nächste Rennen begann.
»Er scheint sie nicht aus den Augen zu lassen«, erwiderte der Botschafter, den Blick immer noch auf Angela und Kit gerichtet. »Aber Angela ist ihrer Liebesabenteuer ziemlich überdrüssig, wie es heißt.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht wird die kleine Priscilla ihn doch noch schnappen.«
»Das Pembroke-Mädchen kann es nicht verhindern, daß er unsere schöne Angela umwirbt.«
»Die Worte eines wahren Patriziers, Hoheit. Doch unsere Gräfin ist inzwischen eine eifrige Schülerin von W. I. Stead geworden, und ihre Ansichten über Vergnügen haben sich vielleicht geändert.«
»Erwähnen Sie mir nur nicht diesen Radikalen, Freddy. Sein verdammtes Gerede von Demokratie wird das Land noch ruinieren. Er berät Angela nur hinsichtlich ihrer Frauenschule. Nichts weiter.«
»Ach ja, ihre Schule«, stimmte Souveral diplomatisch zu. »Das hatte ich ganz vergessen.« Falls die Königin und ihr Sohn die zunehmende Macht der Arbeiterklasse zu ignorieren wünschten, würde er ihnen keine Vorlesung über die sich verändernde Realität der Welt halten. 6 »Aber Kit ist Amerikaner, und seine demokratischen Ideale gefallen
Weitere Kostenlose Bücher