Zügel der Leidenschaft
ich dich liebe.«
Er wußte, wie es passiert war, dieser Mann, der immer bewußt alles tat, was er wollte, aber er sagte nur : »Ich bin noch viel froher als du. Sag mir, wie viele Stunden wir noch haben.«
Sie blickte auf die Uhr auf dem Kaminsims.
»Achtundzwanzig«, sagte sie. Die ganze Nacht hatten sie dieses Spiel gespielt. »Bis Easton wieder leer ist von Gästen.«
»Und dann?«
»Dann kann ich dich jederzeit lieben, wann immer ich will.«
»Oder immer, wenn ich will.«
»Ja«, flüsterte sie. »Besonders dann.«
Er begleitete sie bei Sonnenaufgang zurück zur Terrassentür, während sie nervös an der Fassade hochblickte, ob sich an einem der Fenster vielleicht ein neugieriges Gesicht zeigte.
»Mach dir keine Sorgen, Liebling. Keiner deiner Gäste würde auch nur im Traum daran denken, so früh aufzustehen.« Als sie unter dem Torbogen hervor in den Terrassengarten traten, drückte er sanft und beruhigend ihre Hand. »Ich werde sofort wieder verschwinden.«
»Das will ich aber nicht«, erwiderte sie entgegen aller Vernunft. Sie haßte es, daß er ging und sie sich den ganzen Tag lang in Höflichkeit gegenüber ihren Gästen üben mußte.
»Ich bleibe, wenn dir das lieber ist, aber dafür hast du dann die Hölle mit den Ansleys. Mir ist es völlig egal, aber du hast da mehr Skrupel. Willst du wirklich, daß ich bleibe?«
Sie seufzte. »Nein, das Stückchen meines Gehirns, das noch vernünftig arbeitet, will das nicht. Sag mir einfach noch einmal, daß ich nur noch einen weiteren Tag überstehen muß.«
»Das wirst du bestimmt«, versicherte er leise und beugte sich zu einem Kuß herab, während sie die Glastür öffnete. »Warum bringst du nicht May heute nachmittag mit, wenn du es schaffst, dich freizumachen?« fragte er. »Wir könnten ihr die kleinen Kätzchen im Stall zeigen.«
»Das würde ihr gefallen. Du wirst also da sein?« Bei dem Gedanken, daß er sie wieder verlassen könnte, krallte sich Panik in ihrer Magengrube fest. Obwohl sie wußte, daß er eines Tages auf immer aus ihrem Leben verschwinden würde.
»Den ganzen Tag, die ganze Nacht – wann immer du kommst.«
»Ich hätte nie gedacht, daß die Liebe so verzweifelt sein kann«, flüsterte sie.
»Es macht einem richtig Angst, nicht wahr«, stimmte er leise zu. »Aber ich bin sehr froh, daß ich dich an dem Abend im Yachtclub gefunden habe.«
»Das scheint schon so lange her.«
»Als wir beide noch ein anderes Leben führten. Du frierst«, unterbrach er sich und nahm sie in die Arme, denn sie zitterte.
Beim Gedanken an ihre so verschiedenen Leben packte sie die große Furcht – es war unmöglich, die beiden miteinander zu vereinbaren. Was sollte sie nur anfangen, wenn diese Tage vorbei waren? Wie sollte sie den Kummer überleben?
»Du bist müde, Angela«, besänftigte Kit sie. Sein Körper wärmte sie, und seine Kraft tröstete sie. »Du hast in den letzten Tagen nicht viel geschlafen. Ruhe dich doch heute aus, wenn du kannst, und ich sehe dich dann heute abend.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nun, dann ruh dich jetzt aus. Heute morgen kannst du noch ein paar Stunden Schlaf nachholen.«
»Und du wirst heute nachmittag da sein?«
»Die ganze Zeit.«
Sie lächelte zu ihm hoch, und seine gelassene Sicherheit beschwichtigte all ihre Ängste. »Dann kommen May und ich dich besuchen.«
»Wunderbar«, entgegnete er. Dann küßte er sie noch einmal sanft, als wüßte er, daß sie heute morgen sehr empfindlich war, und sagte sehr, sehr leise: »Ich werde auf euch warten«, und ging.
Sie sah ihm nach, wie er den Garten und den angrenzenden Park durchquerte, weil sie ihn nicht aus den Augen verlieren wollte. Sie stand an die Terrassentür gelehnt, und Tränen strömten ihr nur so übers Gesicht. Warum war das Leben so ungerecht? Warum verdiente sie es nicht, ihn ganz für sich allein zu haben? Dann verschwand er hinter der Eibenhecke, die die Grenze von Stone House markierte.
Die Glasscheiben unter ihren Fingern fühlten sich kalt an. Zitternd stand sie in der Morgenluft, überwältigt von Selbstmitleid und Traurigkeit. Sie war fünfunddreißig Jahre alt, und nicht einmal jetzt wurde ihr Glück gegönnt. Sie war ebensosehr eine Gefangene ihrer Kaste wie der geringste Tagelöhner. Brook würde einer Scheidung niemals zustimmen. Er würde nicht nur sie und ihre Kinder bedrohen, sondern auch Bertie. Ihre Mutter war immer strikt gegen eine Scheidung gewesen und hatte sie stets daran erinnert, daß ein Skandal selbst den Thron nicht
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