Zügel der Leidenschaft
aufregendste Sache der Welt seien. Ihre Harmonie in Geist und Interessen war einfach und echt, und ihre Unterhaltung war zuweilen so lebhaft, daß die Luft um sie von Glück nur so gesättigt schien.
Dann blickte Angela plötzlich auf und sah, wie die Sonne bereits über der Marschlandschaft zu sinken begann. »Himmel – ich muß nach Hause«, rief sie.
»Es tut mir leid«, entschuldigte sich Kit, der in der angeregten Unterhaltung ebenfalls die Zeit aus den Augen verloren hatte. »Das ist meine Schuld, ich habe dich aufgehalten. Meinst du, man sucht schon nach dir?«
»Nein, aber ich reite mit May direkt zum Haus zurück.«
»Und ich sehe dich heute abend.«
»Es wird sehr spät, fürchte ich. Heute abend muß ich meine Pflichten als Gastgeberin erfüllen.«
»Das verstehe ich.«
Als man May endlich von ihrem Spielzeug fortgelockt hatte, bestand sie darauf, Kit zum Abschied zu umarmen, ehe sie in den Sattel gehoben wurde. »Kuß geben, Kuß geben«, rief die Kleine und plazierte einen feuchten Kuß auf Kits Wange.
Und als Kit stehenblieb, um ihnen nachzuwinken, schrie May vom Schoß ihrer Mutter: »Bis Morgen. Nich' vergessen!«
»Das werde ich bestimmt nicht vergessen«, erwiderte Kit mit einem strahlenden, liebevollen Lächeln.
»Danke«, sagte Angela leise mit einem tiefen Blick in seine Augen. »Danke für alles.«
Als Angela um Mitternacht in Stone House ankam, sagte Kit: »Ich habe ein Feuer im Salon brennen und eisgekühlten Champagner. Komm und setz dich erst ein wenig zu mir.« Nach wenigen Minuten war sie in seinen Armen eingeschlafen, genau, wie er es vorhergesehen hatte, denn die letzten paar Tage waren anstrengend gewesen, und ihre zarte Lebenskraft konnte so viele schlaflose Nächte hintereinander nicht gut aushalten. Er mit seinem Leben voller Zerstreuungen war so etwas eher gewöhnt – tagelang ohne Schlaf auszukommen war für ihn nicht ungewöhnlich.
Er bewegte sich vorsichtig, um sie nicht zu wecken, wickelte sie in eine warme Decke, zog die Champagnerflasche näher zu sich heran und machte es sich auf dem Sofa bequem. Dann trank er genüßlich sein Glas aus, während er sie im Schlaf beobachtete, bezaubert von ihrer zarten Schönheit, fasziniert von der großen Liebe, die sie in ihm hervorrief und zutiefst von seinem Verlangen nach ihr berührt.
Wie rasch sich sein Leben verändert hatte! Der erste Anblick von ihr an jenem Abend in Cowes hatte sein Schicksal endgültig besiegelt. Zuvor hatte er mit unbekümmerter Vergnügungssucht und auf der Suche nach Abwechslung die Welt durchstreift und dabei stets Liebe und feste Bindungen verachtet, und dann war plötzlich sie aufgetaucht – und er war wie verzaubert.
Zuerst hatte er seine Gefühle anders benannt, weil er zu lange als ein Mann der Ausschweifungen gelebt hatte, um die Liebe gleich zu erkennen. Aber vielleicht hatte er es auch von Anfang an gewußt und sich dem Gefühl erst jetzt gestellt. Lächelnd starrte er in die sterbende Glut. Saskia hatte recht gehabt.
Nun begann er, in dem dämmrigen Salon von Stone House ihre Zukunft zu planen, und wog alle notwendigen Einzelheiten sorgfältig ab. Zuallererst brauchte er Rechtsanwälte, und zwar die allerbesten, um Angela vor der unberechenbaren Bestie von einem Ehemann zu erretten – besonders bei dem gegenwärtigen Zustand des englischen Scheidungsrechts. Es ging auch um ihren Sohn, der sich zur Zeit auf Reisen auf dem Kontinent befand. Wie würde der auf die veränderte Familiensituation reagieren? Einen nach dem anderen hakte er die wichtigen Schritte ab und erwog Argumente gegen die Warnungen, die er mit Sicherheit von seinen Anwälten und Bankiers erhalten würde. Doch ihm war egal, was es kostete, das würde er allen klar machen. Er wollte Angela von den Grevilles befreien.
Er wollte, daß sie frei war, ihn zu heiraten.
Als die Sonne aufgegangen war, dehnte und reckte er seine steifgewordenen Muskeln und weckte sie mit einem Kuß. »Heute morgen fahren alle ab«, flüsterte er.
Sie fuhr erschrocken auf, doch dann lächelte sie und murmelte: »Das ist gut«, und schloß wieder die Augen.
»Sie wollen sich wohl von dir verabschieden, Liebling«, sagte er leise und lächelte über ihre Schläfrigkeit. Er hatte sie noch nie zuvor am Morgen wach werden sehen, und sie erinnerte ihn nun an ein verschlafenes Kind. »Oder soll ich diese Pflicht übernehmen?«
Da richtete sie sich kerzengerade auf, blickte sich um, um sich zu orientieren, und sagte dann mit verlockendem Lächeln:
Weitere Kostenlose Bücher