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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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war nicht einmal sehr heftig. Wenn Meister Aurifaber nicht soviel getrunken hätte, wäre er jetzt vielleicht schon wieder bei Bewußtsein. Er hat einen ordentlichen Hieb bekommen, aber bei seinem harten Schädel… Nein, er lebt, und soweit ich das beurteilen kann, hat er noch viele Jahre vor sich.«
    Die Zeugen, die mit finsteren, unbewegten Gesichtern hinter ihm standen, traten von einem Fuß auf den anderen und sahen zu Boden, warfen aber verstohlene Blicke auf den Abt und die Kirchentür, und wenn sie enttäuscht waren, den gravierendsten Punkt ihrer Anklage widerlegt zu sehen, so hielten sie nichtsdestoweniger an ihrer zweiten Beschuldigung fest und waren nach wie vor entschlossen, den Schuldigen hängen zu sehen.
    »Es scheint also«, schloß der Abt, »daß der Mann, der uns um Asyl gebeten hat, der Körperverletzung und des Raubes, nicht aber des Mordes beschuldigt wird.«
    »So ist es. Die Zeugenaussagen stimmen darin überein, daß er nicht seinen vollen Lohn erhielt, weil er beim Jonglieren einen Krug zerbrochen hatte, und sich, als man ihn hinauswarf, bitter darüber beklagte. Kurz darauf, während sich, wie bestätigt wird, die meisten der Gäste noch im Haus aufhielten, wurde der Überfall auf Meister Aurifaber verübt.«
    »Ich verstehe«, sagte der Abt, »daß ihr einer solchen Anzeige nachgehen müßt, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Ich glaube jedoch, Ihr wißt, wie heilig das Asylrecht ist. Es ist kein Schutz für einen Sünder, sondern dient dazu, eine Zeit der Stille zu schaffen, in der der Schuldige seine Seele erforschen und der Unschuldige auf seine Rettung vertrauen kann. Dieses Recht darf nicht verletzt werden. Es ist zeitlich begrenzt, aber bis diese Zeit abgelaufen ist, ist es heilig.
    Für vierzig Tage gehört der Mann, dem diese Beschuldigung gilt, uns – nein, Gott! – und darf weder gewaltsam noch durch List noch auf irgendeine andere Weise gegen seinen Willen von hier fortgebracht werden. Während dieser vierzig Tage werden wir ihm Nahrung und Unterkunft gewähren und uns um ihn kümmern.«
    »Das sei Euch zugestanden«, sagte der Unteroffizier »– allerdings unter gewissen Bedingungen. Er ist freiwillig hierher gekommen und darf daher nicht mehr zu essen bekommen als die Mönche des Klosters.« Nach seiner eher fülligen Statur zu schließen war das weniger, als er selbst zu sich nahm, aber gewiß mehr, als Liliwin gewöhnt war. »Und wenn die Frist abgelaufen ist, darf er nicht weiter mit Speisen versorgt werden, sondern muß das Kloster verlassen und sich der Gerichtsverhandlung stellen.«
    In diesem Punkt war er so unnachgiebig wie Radulfus in seinem Beharren auf dem Asylrecht, und er machte seinen Anspruch kühl geltend. Es würde keine Verlängerung der Frist geben, und nach ihrem Ablauf hatten die Mönche dafür zu sorgen, daß der Verfolgte das Kloster verließ. Es war eine gerechte Übereinkunft. Vierzig Tage Bedenkzeit mußten Liliwin ausreichen.
    »So seid Ihr also einverstanden«, sagte der Abt, »daß der Mann hierbleiben und seine Seele erforschen darf. Mir liegt, wie Ihr wißt, nicht weniger als Euch daran, daß der Gerechtigkeit genüge getan wird, und ich werde mich an diese Abmachung halten und dafür sorgen, daß niemand diesem Mann zur Flucht verhilft. Es wäre jedoch angemessen, ihm zu erlauben, die Kirche zu verlassen und sich frei im Kloster zu bewegen, so daß er sich waschen, seine Notdurft verrichten, sich an der frischen Luft aufhalten und frei unter uns bewegen kann.«
    Darin willigte der Unteroffizier ohne zu zögern ein. »Innerhalb dieses Klosters, Mylord, mag er sich frei bewegen. Aber wenn er nur einen Schritt hinaus tut, werden meine Männer ihn ergreifen und mitnehmen.«
    »Das versteht sich von selbst. Wenn Ihr es wünscht, könnt Ihr jetzt in meinem Beisein, aber ohne diese Zeugen, mit dem Beschuldigten sprechen. Diese Männer haben vorgebracht, was sie vorzubringen hatten, und es ist nur gerecht, daß auch er seine Seite der Geschichte ungehindert schildern darf. Das Gericht mag dann ein Urteil fällen.«
    Daniel öffnete den Mund, als wolle er energisch protestieren, bemerkte aber den kalten Blick des Abtes und besann sich eines besseren. Seine Begleiter murmelten und machten unwillige Gebärden, wagten jedoch nicht, Einspruch zu erheben. Nur der Vorsteher der Bürgerschaft, der im Interesse der ganzen Stadt sprach, erhob seine Stimme.
    »Mylord, ich war bei dem gestrigen Hochzeitsfest nicht dabei und weiß nur aus zweiter Hand,

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