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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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anderen, und ich muß das Abendbrot bereiten.«
    »Und wie geht es Eurem Vater?«
    »Der wird schon wieder auf die Beine kommen«, sagte sie ungerührt. »Er hatte einiges getrunken, und das war sein Glück, denn dadurch fiel er sanft wie eine Feder. Ihr könnt nach ihm sehen, wenn sie Euch nicht mehr braucht.« Sie schenkte ihm ein hintergründiges Lächeln und glitt lautlos die Treppe hinunter.
    Wenn Frau Julianas Sprechvermögen durch diesen Anfall beeinträchtigt gewesen war, so hatte sie sich jedenfalls bemerkenswert davon erholt. Sie mochte vielleicht gezwungen sein, das Bett zu hüten, und gewiß war es besser, wenn sie es noch ein oder zwei Tage nicht verließ, aber während Cadfael ihr die Hand auf die Stirn legte, ihre Brust abhorchte und die Lider ihrer grimmig blickenden grauen Augen hochzog, um die Pupillen genau zu betrachten, stand ihr Mund nicht still. Weder ermunterte er sie, noch versuchte er, ihren Redestrom zu bremsen, aber dennoch entging ihm nichts von dem, was sie zu sagen hatte.
    »Und ich hatte nicht erwartet«, sagte sie und verzog verächtlich den Mund mit den schmalen, bläulichen Lippen, »daß der Ehrwürdige Abt einen Wegelagerer, Mörder und Dieb vor ehrbaren, gottesfürchtigen Bürgern in Schutz nehmen würde, die ihre Abgaben bezahlen. Es gereicht Euch allen zur Schande, daß Ihr einem solchen Verbrecher Unterschlupf gewährt.«
    »Euer Sohn, so sagt man«, wandte Cadfael ein und suchte in seinem Beutel nach dem kleinen Fläschchen, das ein Pulver aus getrockneten Eichenmistelzweigen enthielt, »ist weder tot noch hat er vor, demnächst das Zeitliche zu segnen – und doch haben Eure Gäste gestern nacht die Stadt unsicher gemacht und ›Mord‹ geschrien.«
    »Er hätte ebensogut tot sein können«, gab sie zurück. »Und auch auf Raub steht, wie Ihr wißt, die Todesstrafe. Und was wäre, wenn ich gestorben wäre? Wessen Schuld wäre das gewesen? Es hätte leicht eine Doppelbeerdigung geben können. Obendrein ist die Familie ruiniert. Damit hat dieser niederträchtige Bursche ja wohl genug für einen Abend angerichtet, würde ich sagen. Aber er wird dafür bezahlen! Für vierzig Tage ist er sicher, aber wir werden auf ihn warten… Er wird uns nicht entkommen!«
    »Wenn er mit seiner Beute von hier geflohen ist«, sagte Cadfael und schüttete etwas von dem Pulver auf seine Hand, »dann hat er jedenfalls nichts davon in die Kirche gebracht.
    Einen einzigen armseligen Penny trug er bei sich – das war alles.« Er wandte sich der jungen Frau zu, die besorgt neben dem Kopfende des Bettes stand. »Habt Ihr etwas Wein oder Milch hier? Dies Pulver muß mit Flüssigkeit eingenommen werden.«
    Sie war ein kleines, molliges, hübsches Mädchen, diese Margery, vielleicht zwanzig Jahre alt, mit einem frischen, rosigen Gesicht und mit dichtem, zerzaustem, blondem Haar.
    Ihre Augen waren groß und aufmerksam. Kein Wunder, daß sie sich in diesem ungewohnten, von den Ereignissen der letzten Nacht erschütterten Haushalt verloren vorkam, aber dennoch waren ihre Bewegungen ruhig und überlegt, und ihre Hände zitterten nicht, als sie den Becher mit Wein füllte.
    »Er hatte genug Zeit, seine Beute irgendwo zu verstecken«, beharrte die alte Frau. »Walter war schon länger als eine halbe Stunde fort, als Susanna anfing, sich Sorgen zu machen, und nachsah, wo er blieb. Bis dahin kann der Kerl schon über die Brücke und irgendwo im Gebüsch gewesen sein.«
    Sie nahm den Becher und trank ihn aus. So unzufrieden sie auch mit dem Abt und dem Kloster war – Cadfael und seinen Arzneien vertraute sie. Es gab wohl kaum ein Thema, bei dem die beiden einer Meinung waren, aber trotzdem respektierten sie einander. Selbst diese geizige, bemerkenswerte alte Frau, die ihre Familie tyrannisierte und die Dienerinnen herumkommandierte, besaß Tugenden wie Mut, seelische Kraft und Aufrichtigkeit, die keineswegs zu verachten waren.
    »Er schwört aber, daß er weder Euren Sohn noch sein Gold auch nur angerührt hat«, sagte Cadfael. »Und wenn ich zugebe, daß er möglicherweise lügt, so solltet Ihr ebenfalls zugeben, daß Ihr im Irrtum sein könntet.«
    Sie machte ein verächtliches Gesicht und zog den dünnen, grauen Zopf, der ihre Haut am Hals gekratzt hatte, unter ihrem Kopf hervor. »Wer sonst hätte es gewesen sein können? Er war der einzige Fremde hier, und er hegte einen Groll gegen uns, weil ich ihm den Wert von dem, was er zerbrochen hatte, vom Lohn abgezogen hatte…«
    »Er behauptet, ein übermütiger

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