Zuflucht Im Kloster
was sich dort ereignet hat. Ich vertrete hier die Stadt Shrewsbury, und mit Eurer Erlaubnis würde ich gerne hören, was der junge Mann zu seiner Verteidigung zu sagen hat.«
Damit war der Abt einverstanden. »Dann begleitet uns in die Kirche. Und Ihr, wackere Männer, geht hin in Frieden.« Das taten sie, wenn auch nur widerwillig, denn sie hätten ihr Opfer nur zu gern sofort mitgenommen. Nur Daniel trat eilig vor, um den Abt auf sich aufmerksam zu machen. Seine Empörung war verschwunden. Er schien etwas anderes auf dem Herzen zu haben, denn er machte ein besorgtes, ängstliches Gesicht.
»Eine Bitte noch, Ehrwürdiger Vater! Es stimmt, wir haben uns gestern nacht nicht wie anständige Bürger benommen, nachdem wir meinen Vater besinnungslos und blutend gefunden hatten. Wir glaubten wirklich, er sei ermordet worden, und haben übereilt gehandelt, aber selbst jetzt wissen wir noch nicht, wie es wirklich um ihn steht. Und als meine alte Großmutter von diesem Überfall erfuhr, bekam sie einen Anfall, wie sie ihn schon einmal gehabt hat, und obwohl es ihr jetzt besser geht, ist ihr Zustand immer noch ernst. Seit ihrem letzten Anfall setzt sie mehr Vertrauen in Bruder Cadfaels Arzneien als in die Kunst der Ärzte. Sie hat mich gebeten zu fragen, ob er mich begleiten und nach ihr sehen dürfe, denn er weiß, was zu tun ist, wenn die Atemnot sie befällt und sie starke Schmerzen in der Brust hat.«
Der Abt wandte sich Cadfael zu, der, als er diese Bitte vernommen hatte, aus dem Schatten der Kirche getreten war.
Er mußte sich eingestehen, daß er sehr gespannt war.
Nachdem er diese Nacht bei Liliwin verbracht hatte, war er überaus neugierig zu erfahren, was sich während Daniel Aurifabers Hochzeitsfest wirklich zugetragen hatte.
»Ihr habt meine Erlaubnis, ihn zu begleiten, Bruder Cadfael.
Nehmt Euch die Zeit, die Ihr braucht, und tut für diese Frau, was in Eurer Macht steht.«
»Das werde ich tun, Ehrwürdiger Vater«, sagte Cadfael und ging eilig in den Garten, um aus seinem Schuppen die Arzneien zu holen, die er voraussichtlich brauchen würde.
Das Haus des Goldschmieds lag an der Straße, die zum Tor der Burg hinaufführte. Während der größere Teil der Stadt in der Biegung des Flusses lag, verengte sich die Halbinsel hier, so daß die Gärten der Häuser zu beiden Seiten der Straße an ihrem unteren Ende von der Stadtmauer begrenzt wurden.
Aurifabers Grundstück war eines der größten in der Stadt, und der Meister galt als einer der reichsten Bürger. Das Haus war L-förmig und hatte einen Flügel, der parallel zur Straße verlief, während der Teil, in dem sich die Wohn-und Wirtschaftsräume befanden, im rechten Winkel dazu nach hinten ausgebaut waren. Aurifaber, der jede Gelegenheit nutzte, zusätzlich Geld einzunehmen, hatte den Flügel, der an der Straße stand, unterteilt und die eine Hälfte als Wohnung und Werkstatt an Baldwin Peche verpachtet, einen verwitweten, kinderlosen Schlosser in mittleren Jahren, der mit dieser Regelung zufrieden war.
Ein schmaler Durchgang führte zwischen den beiden Werkstätten hindurch auf einen offenen Hof mit einem Brunnen, getrennten Küchen, Vorratsräumen und Aborten. Es ging das Gerücht, daß in Walter Aurifabers Haus selbst der Abtritt mit Steinen ausgekleidet war, und viele waren der Meinung, daß der Goldschmied sich damit Privilegien anmaßte, die eigentlich dem niederen Adel vorbehalten waren. Hinter dem Hof lagen ein Gemüsegarten und ein Hühnerhof, und der Boden fiel sanft bis zur Stadtmauer ab. Zum Grundbesitz der Familie gehörte jedoch noch eine Wiese am Flußufer, die durch eine Tür in der Mauer zugänglich war.
Cadfael hatte das Haus auf Verlangen der alten Frau mehrmals aufgesucht, denn sie war jetzt achtzig Jahre alt und glaubte, aufgrund der Almosen, die sie dem Kloster gestiftet hatte, nicht nur im Jenseits einen Anspruch auf Einlaß ins Paradies, sondern bis dahin auch ein Anrecht auf ärztliche Behandlung durch einen Klosterbruder zu haben. Mit achtzig Jahren gibt es immer irgend etwas, das eine Behandlung erfordert, und die alte Dame bekam beim kleinsten Kratzer sofort ein Geschwür an den Beinen und verließ nur selten ihre Kammer. Sie bewohnte eines der beiden Zimmer, die über der Halle des Hauses lagen. Wenn Juliana beim Hochzeitsessen den Vorsitz gehabt hatte, wie es offenbar der Fall gewesen war, dann hatte sie – zu Liliwins Pech – gewiß ihren Gehstock zur Hand gehabt. Es war allgemein bekannt, daß sie ausgiebig Gebrauch
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