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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Winkel des Vorbaus, wo er mit hochgezogenen Knien auf dem Steinboden kauerte. Es war bereits zu dunkel, um die Reparatur seines Rebecs oder den Unterricht bei Bruder Anselm fortzusetzen, und es schien, als hätten die Aufregungen des Tages ihn wieder mit Verzweiflung und Argwohn erfüllt und bewirkt, daß er sich hier verkroch und die Welt mit mißtrauischen Augen betrachtete. Jedenfalls warf er Cadfael einen nervösen Blick von der Seite zu, als der seine Kutte schürzte und es sich neben ihm bequem machte.
    »Nun, mein Sohn, hast du dir heute dein Abendessen geholt?« fragte Cadfael ihn freundlich.
    Liliwin nickte. Sein Blick verriet, daß er auf der Hut war.
    »Gestern hast du das anscheinend nicht getan, und Bruder Jerome hat uns berichtet, daß eine Magd dich nachmittags besucht und dir einen Korb mit Resten vom Tisch ihrer Herrin gebracht hat. Er sagte, er habe sich veranlaßt gesehen, euch zu tadeln.« Liliwin schwieg bedrückt und unbehaglich. »Nun hat Bruder Jerome gewiß eine außergewöhnliche Begabung dafür, Situationen zu begegnen, in denen er sich veranlaßt sieht, einen Tadel auszusprechen. Aber ich glaube, es gibt nur eine Magd, deren Anwesenheit ihm Zweifel an der Schicklichkeit deines Benehmens, ja sogar Sorgen um dein Seelenheil eingeben könnte.« Er hatte das mit freundlicher Stimme gesagt, aber ihm entging nicht, daß Liliwin ein leichter Schauder überlief und daß die Arme, die der Junge um seine Knie geschlungen hatte, sich verkrampften. Cadfael war immer mehr davon überzeugt, daß er, bis auf ein oder zwei verständliche Lügen, vollkommen unschuldig war. Warum aber zuckte er dann zusammen, wenn von seinem Seelenheil die Rede war.
    »War es Rannilt?«
    »Ja«, antwortete Liliwin kaum hörbar.
    »Hatte sie Erlaubnis zu kommen? Oder hat sie gar nicht erst gefragt?«
    So kurz wie möglich erzählte Liliwin ihm, woran Jerome Anstoß genommen hatte.
    »So also ist das gewesen. Und Jerome sagte ihr, sie solle tun, was man sie geheißen habe, und dann gehen. Und er blieb solange in der Nähe, bis er überzeugt war, daß sie ihm gehorcht hatte. Und wenn ich es recht verstanden habe, hat man dich von diesem Augenblick an – nachdem Jerome gesehen hatte, daß du allein warst – nicht mehr gesehen, bis du zur Prim heute morgen wieder aufgetaucht bist. Aber du sagst, du hättest den Klosterbezirk nicht verlassen, und ich will nicht daran zweifeln. Hast du etwas gesagt?«
    »Nein«, antwortete Liliwin unglücklich. Es klang weniger wie ein Wort, als vielmehr wie ein beschämter, sogleich unterdrückter Seufzer.
    »Angesichts der Großherzigkeit dessen, was sie für dich getan hat, hast du sie einfach so gehen lassen?« fragte Cadfael vorwurfsvoll.
    Friedlich senkte sich der Abend über das Kloster. Weit und breit war niemand, der sie hätte belauschen können, und Liliwin hatte einen Großteil des Tages damit zugebracht, sich, etwas verspätet, mit der Todsünde auseinanderzusetzen, die er begangen hatte. Die Angst vor den Menschen war schon schlimm genug, auch ohne diese plötzliche Angst vor der ewigen Verdammnis, ganz zu schweigen von dem schrecklichen Wissen, einen Menschen, den er liebte wie sich selbst, ebenfalls dieser Verdammnis ausgesetzt zu haben.
    Unvermittelt stand er auf, setzte sich auf die Steinbank neben Cadfael und packte ihn am Arm.
    »Bruder Cadfael, ich muß Euch etwas sagen… Ich muß mit jemandem darüber sprechen! Ich habe etwas Schreckliches getan – wir haben es getan, aber es war mein Fehler! Ich wollte es nicht, aber sie mußte gehen, und ich wußte, daß ich sie vielleicht nie wiedersehen würde, und da ist es passiert. Es war eine Todsünde, und ich bin schuld, wenn Rannilt Gottes Strafe trifft!«Wie Blut aus einer frischen Wunde sprudelten die Worte hervor, aber es erleichterte ihn, daß er einen Anfang gemacht hatte. Er wurde ruhiger, und das Zittern wurde schwächer und hörte ganz auf. »Ich werde es Euch erzählen und dann alles tun, was Ihr mir als Strafe auferlegt. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, daß sie so bald schon wieder gehen mußte, vielleicht für immer. Wir gingen in die Kirche, und ich versteckte sie hinter dem Altar im Querschiff. Es gibt dort eine Nische – ich habe sie in der ersten Nacht, die ich in der Kirche verbrachte, gefunden, als ich Angst hatte, es könnte jemand kommen und mich hinausschleppen. Ich wußte, daß der Spalt groß genug war, daß ich hindurchschlüpfen konnte, und sie ist kleiner als ich. Und als der Bruder gegangen

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