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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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zur Halle geöffnet wurde.
    Im selben Moment ertönte ein kurzes, scharfes Geräusch, ein unterdrückter Schrei, der kaum hörbar war, in dem aber so viel Wut und Bestürzung mitschwang, daß Rannilt eine Hand auf die Klinke der Tür legte, an die sie sich geschmiegt hatte, halb in dem Wunsch, sich an etwas Festem, Vertrautem festzuhalten, halb aus dem Drang heraus, hineinzugehen und nachzusehen, was der Grund für diesen Schrei der Verzweiflung und des Ärgers gewesen sein mochte. Die Tür gab nach. Undeutlich vernahm sie eine Stimme; sie konnte nicht hören, was sie sagte, aber der barsche Tonfall war unverkennbar der von Frau Juliana. Susanna antwortete ihr mit leiser, verbitterter Stimme. Es war ein leises Murmeln, haßerfüllt, aber so intim wie die Geheimnisse, die Mann und Frau in ihrem Ehebett austauschen.
    Zitternd öffnete Rannilt die Tür und tastete sich auf allen vieren auf die Tür zu, die in die Halle führte. Von irgendwo hoch oben in der Halle, wahrscheinlich vom Kopf der Treppe, kam ein schwacher Lichtschimmer. In diesem Haus geschah nichts, ohne daß die alte Frau ihre Nase hineinsteckte und Grund zum Tadel fand. Als sei es noch nicht schlimm genug, daß sie gegen ihre Enkelin Partei ergriffen und sich auf die Seite der Neuen geschlagen hatte!
    Susanna hatte die Tür ihres Zimmers hinter sich halb geschlossen und drei oder vier Schritte in die Halle getan, so daß Rannilt nur undeutlich den Umriß ihrer linken Körperhälfte sehen konnte. Immerhin aber konnte sie jetzt verstehen, was gesagt wurde.
    »Still, sprich leise!« zischte die alte Frau in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Kein Grund, die anderen zu wecken. Es reicht, daß wir beide noch wach sind.«
    Sie stand wahrscheinlich oben an der Treppe, dachte Rannilt, in einer Hand ihre Bettlampe, deren Lichtschein sie mit der anderen abschirmte. Sie wollte die anderen Familienmitglieder nicht wecken.
    »Eine von uns beiden ist hier überflüssig!«
    »Du arbeitest noch so spät in der Nacht, und ich soll dir nicht helfen? Wie gewissenhaft und sparsam du gewesen bist, wie peinlich genau du Buch geführt hast über deine Vorräte!«
    »Werder sie noch Ihr, Großmutter, sollt sagen können, daß ich auch nur über ein Maß Mehl, einen Tropfen Honig keine Rechenschaft abgelegt habe«, erwiderte Susanna mit beißender Verachtung.
    »Ich hoffe, du hast die Hafergrütze nicht vergessen!« Von der Treppe her erklang ein leises, fast ein verstohlenes Lachen.
    »Was für eine bemerkenswerte Haushaltung, mein Kind! Der Topf ist noch mehr als halb voll, und dabei ist es schon nach Ostern! Du hast gut vorgesorgt, das muß man dir lassen.«
    »Ich habe es von Euch gelernt, Großmutter.« Susanna hatte einen Schritt auf die Treppe zu gemacht, und Rannilt glaubte erkennen zu können, daß sie jetzt ganz still stand, die alte Frau ansah und ihre bittere Verachtung mit leisen Worten direkt in das alte Gesicht spie, das im flackernden Zwielicht des Öllämpchens auf sie hinabblickte. Susannas langer Schatten fiel über den Boden und legte sich wie eine Sperre über die Tür zu ihrem Zimmer. Nach seiner Form zu urteilen, hatte Susanna ihren Umhang um sich gerafft, und das war verständlich, denn die Nacht war kühl. »Auf Eure Anweisung, Großmutter«, sagte sie leise und deutlich, »gebe ich die Führung dieses Haushalts auf. Was wollt Ihr nun mit mir anfangen? Habt Ihr schon einen Plan? Wollt Ihr mich vielleicht in ein Kloster stecken?«
    Der Schatten bewegte sich plötzlich und wurde größer, als habe sie die Arme ausgebreitet und ihren Umhang weit geöffnet.
    Nach dem leisen Wortwechsel war der Schrei, der die Stille zerriß, so schrecklich, daß Rannilt vergaß, wer sie war und was sie getan hatte, und aufsprang, die Tür aufriß und in die Halle stürzte. Frau Juliana stand zusammengekrümmt am Kopf der Treppe. Sie hatte ihre Lampe, aus der Öl tropfte, sinken lassen und griff sich mit ihrer rechten Hand an die Brust. Der Mund, der gerade noch jenen schrecklichen Schrei ausgestoßen hatte, war, ebenso wie die eine Wange, verzerrt. Dies erfaßte Rannilt mit einem kurzen Blick, bevor Juliana in sich zusammensank, kopfüber die Treppe hinunterstürzte und reglos liegenblieb. Aus der Lampe, die sie fallengelassen hatte, spritzte brennendes Öl auf die Dielen vor Susannas Füßen.

10. Kapitel
Donnerstag nacht bis Freitag morgen
    Rannilt sprang hinzu, um die kleine feurige Schlange, die etwas Brennbares erfaßt hatte und ein kleines Flämmchen hatte

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