Zuflucht Im Kloster
Augen auf Rannilt. »Warum hast du das Mädchen mitgebracht? Was sollen wir mit ihr anfangen?«
»Komm hinein«, sagte Susanna, »und ich werde es dir sagen. Hast du die Pferde gesattelt? Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
»Ich war dabei, als ich euch kommen hörte.« Er nahm das Kleiderbündel und zog sie in die warme Dunkelheit des Stalles.
Rannilt folgte ihnen schüchtern. Sie spürte nur zu gut, daß sie den beiden im Weg war. Iestyn schloß die Türen, verriegelte sie aber nicht. »Wer weiß – vielleicht ist am Fluß noch jemand wach. Es braucht uns niemand hier zu sehen.«
Sie hörte und spürte in der Dunkelheit, daß sie sich wieder umarmten und, sei es auch nur für einen kurzen Augenblick, leidenschaftlich zu einer Einheit verschmolzen. Sie wußte, daß diese beiden mit ebensowenig Hoffnung, wenn auch viel öfter, das Lager geteilt hatten wie sie und Liliwin. Die Hintertür zu Susannas Kammer und die nur wenige Schritte entfernte Treppe, die zum Keller hinabführte, fielen ihr wieder ein. Die Versuchung hatte ständig gelockt, aber sie hatten sich nichts anmerken lassen.
»Dieses Mädchen…«, sagte Iestyn leise. »Was hast du mit ihr vor? Warum hast du sie mitgebracht?«
»Sie sieht zuviel«, erwiderte Susanna kurz. »Das dumme Gänschen hat Dinge zu mir gesagt, die besser nicht ausgesprochen worden wären und die nicht für die Ohren anderer bestimmt sind, denn wenn jemand das hört, der mehr Verstand hat als sie, dann kann das auch jetzt noch unser Tod sein. Also habe ich sie mitgebracht. Sie kann mit uns kommen – jedenfalls ein Stück des Weges.«
»Wie meinst du das?« fragte Iestyn nach einem kurzen, erschrockenen Schweigen.
»So wie ich es sage. Jenseits der Grenze gibt es tiefe Wälder und unzugängliche Gebiete. Wer sollte da nach ihr suchen? Sie ist doch nur eine Küchenmagd ohne Familie.« Ihre Stimme klang wie immer so ruhig und vernünftig, daß Rannilt gar nicht begriff, was sie gesagt hatte, und selbst jetzt, da sie über sie sprachen, das Gefühl hatte, einsam und vergessen zu sein.
Ein Pferd stampfte auf und bewegte sich im Dunkeln. Sein massiger Körper strahlte Wärme aus. Langsam waren undeutliche Umrisse zu erkennen; Schatten traten aus tieferen Schatten hervor. Iestyn holte langsam und tief Luft und erschauerte plötzlich. Rannilt spürte es und verstand noch immer nicht.
»Nein!« sagte er kaum hörbar. »Nein, das können wir nicht tun – das werde ich nicht tun! Mein Gott, was hat sie uns denn getan? Ihr geht es doch keinen Deut besser als uns!«
»Du brauchst nichts zu tun«, sagte Susanna einfach.
»Überlaß das mir. Es gibt nichts, das ich nicht tun würde, um zu dir zu gehören, um an deiner Seite zu sein. Nachdem, was ich bereits getan habe, gibt es nichts, vor dem ich zurückschrecken würde.«
»Aber nicht das! Kein solches Verbrechen – nicht, wenn du mich liebst! Das andere wurde dir aufgezwungen. Was für ein Verlust war er denn schon? Er war genauso gemein wie deine Familie! Aber nicht dieses Mädchen! Das werde ich nicht zulassen! Und es ist ja auch gar nicht nötig«, sagte er und verlegte sich vom Befehlen aufs Überreden. »Wir haben die Stadt verlassen und können sie hier zurücklassen und fliehen, du und ich. Alles andere ist doch gleichgültig. Soll sie zurückkehren, wenn es hell ist. Bis dahin werden wir schon in Wales sein und nichts mehr zu befürchten haben. Sie ist doch keine Gefahr für uns. Sie hat uns nie etwas getan und wollte uns auch nie etwas tun.«
»Aber sie werden uns verfolgen! Wenn mein Vater je erfährt … Du kennst ihn! Für mich würde er keinen Finger rühren, aber dies hier…« Sie trat gegen das kleinere Bündel. Es klirrte leise.
»Wir könnten durch irgend etwas aufgehalten werden… Es ist besser, sicherzugehen.«
»Nein, nein, nein! Du sollst meine Liebe nicht beflecken. Ich werde es nicht zulassen, daß du dich so veränderst. Ich will dich so, wie du jetzt bist…«
Die Pferde stampften auf und schnaubten. Die Störung zu dieser ungewohnten Stunde machte sie unruhig, aber dennoch waren sie hellwach. Es entstand eine kurze, tiefe Stille, dann tat Susanna einen tiefen Seufzer.
»Wie du willst, wie du befiehlst«, flüsterte sie sanft, »mein Herz, mein Liebster… Ich werde nichts tun, was du nicht willst.
Gut, lassen wir sie also hier. Sollen sie uns doch verfolgen! Es gibt nichts, was ich dir abschlagen würde – ich würde sogar mein Leben für dich opfern…«
Was immer zwischen ihnen gestanden hatte
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