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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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befestigte er sie wieder an der Kommode. Schließlich machte er es sich auf einem Sitzkissen bequem und sagte mir, was er von der Sache hielt.
    »Die Metallarbeiten stammen, wie Sie dachten, aus der Edo-Zeit, höchstwahrscheinlich aus Yahata. Die Lackierung sowie die Form des Schattens, den der frühere Beschlag hinterlassen hat, lassen mich vermuten, daß die tansu möglicherweise in Ogi – der Ort liegt ebenfalls auf der Sado-Insel – geschreinert wurde.«
    »Aber in Ogi haben die Schreiner erst in der Meiji-Zeit Kommoden gebaut«, sagte ich.
    »Sehr gut, Shimura-san. Deshalb komme ich auch zu dem Schluß, daß die Kommode aus der späten Meiji-Zeit stammt, also etwa neunzig Jahre alt ist. Für ihr Alter ist sie gut erhalten, aber bitte vergessen Sie nicht, sie gegen Holzwürmer zu behandeln.«
    »Was soll ich nun Mrs. Mihori sagen?« Ich wollte zu einer Lösung meines Problems gelangen, bevor wir uns über so langweilige Details wie die Holzwurmbehandlung unterhielten.
    »Nichts zu sagen ist die Blume.« Als ich ihn verständnislos ansah, fügte er hinzu: »Das ist ein altes Sprichwort und bedeutet, daß man manche Dinge besser nicht sagt.«
    »Sie meinen, ich soll sie anlügen?«
    »Aber, aber! Ihre Kundin hat Ihnen bereits ihre Dankbarkeit für die zwei Wochen Arbeit, die Sie geleistet haben, ausgesprochen. Es wäre ihr jetzt mit Sicherheit nicht angenehm, das Stück abzulehnen. Deshalb bin ich der Meinung, daß Sie das Problem nicht zur Sprache bringen sollten.«
    »Es ist meine Pflicht, ihr zu sagen, daß die Kommode nicht aus der Edo-Zeit stammt.«
    »Sie haben mir doch gesagt, daß sie eine feine Dame ist, oder? Egal, wie geringschätzig Sie von der tansu sprechen – sie wird sich verpflichtet fühlen, sie Ihnen abzunehmen. Selbst wenn Sie ihr erklären, daß sie ein schlechtes Möbelstück ist, wird sie darauf bestehen, sie zu kaufen. Allerdings wird sie sie nie zu Hause aufstellen, und es wird sich herumsprechen, daß Sie sie betrogen haben.«
    Ich stützte den Kopf in die Hände. So, wie er die Sache darstellte, sah sie noch schlimmer aus, als ich sie mir vorgestellt hatte.
    »Sie müssen ihr sagen, daß die tansu nicht bei Ihnen eingetroffen ist oder daß man bei Ihnen eingebrochen hat.«
    Ich schüttelte den Kopf. »In Roppongi Hills? Das ist das beste Wohngebäude in der ganzen Umgebung. Das würde mir keiner abnehmen.«
    Mr. Ishidas Gesicht klarte auf. »Wenn Sie mir Ihren Zweitschlüssel geben, könnte ich vielleicht einen kleinen Einbruch für Sie arrangieren. In meiner Gegend gibt es einen sehr netten yakuza- Boß,den ich um Hilfe bitten könnte. Er nimmt nur mit, was man ihm sagt.«
    »Bitte nicht, Ishida-san!« Ich konnte einfach nicht nachvollziehen, daß viele Japaner Mafiosi als ehrenhafte Bürger betrachteten. Meiner Ansicht nach waren Gangster auch dann noch Gangster, wenn sie Veranstaltungen in der Gemeinde finanziell unterstützten oder Hilfe für Erdbebenopfer organisierten.
    »Es war ja nur ein Vorschlag«, beruhigte er mich. »Was möchten Sie denn tun?«
    »Ich denke, ich werde zu Hita Fine Arts fahren und die tansu zurückgeben. Vielleicht wird Ihr Gutachten die Leute dort überzeugen.«
    »Nehmen Sie nur Fotos mit, denn die Kosten für die Beförderung könnten ziemlich hoch werden.«
    Sein Ratschlag war sinnvoll. Ich würde die Transportkosten nicht übernehmen, wenn ich nicht sicher wußte, daß ich mein Geld zurückbekam. Schließlich hatte mich dieses verdammte Ding schon genug gekostet.
     
    Mit dem Zug dauerte die Fahrt nach Hita nur eine Stunde. Ich saß im ersten Wagen, nicht weit weg von der Windschutzscheibe des Zugführers, so daß ich einen guten Blick auf die Berge und Reisfelder hatte, die sich vor mir ausbreiteten. Im Gegensatz zu den Straßen waren die Waggons nicht überfüllt. Es waren nur ein paar Ausflügler in bunten Shorts und ich, bekleidet mit einem Kostüm und hochhackigen Schuhen, die ich für ausreichend geschäftsmäßig hielt, unterwegs. Ich hatte sogar statt meines üblichen Rucksacks eine richtige beigefarbene Handtasche dabei. Darin befanden sich ein bißchen Geld, die Quittung sowie Mr. Ishidas offizielles Gutachten, in dem er den Wert der Kommode mit einer Million Yen angab, kein geringer Betrag – damit hätte ich für meine alte Wohnung fast ein Jahr lang die Miete zahlen können –, aber immerhin nur die Hälfte dessen, was ich Mr. Sakai gegeben hatte.
    Als ich in Hita ausstieg, bereute ich sofort meine gediegene Kleidung. Es war noch

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