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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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schwüler als am Vortag. Meine Strumpfhose fühlte sich an, als würde sie gleich an meinen Beinen schmelzen, und ich mußte mir Gesicht und Nacken mit einem Taschentuch abwischen, bevor ich Hita Fine Arts betrat.
    » Irasshaimase !« begrüßten mich zwei Verkäuferinnen, die gerade die Tonbehälter für die Fische abstaubten. Ich erwiderte den Gruß mit einem gekünstelten Lächeln und machte mich auf den Weg nach oben.
    Mr. Sakai, der Rosenholztisch und die ganzen Antiquitäten, die ich noch am Vortag dort gesehen hatte, waren verschwunden. Ich streckte den Kopf in den hinteren Lagerraum und rief etwas in die Stille hinein.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Die junge Frau aus der T-Shirt-Abteilung sah mich mit dem gleichen faszinierten, aber auch ängstlichen Blick an wie tags zuvor, nachdem ich sie über den Haufen gerannt hatte. Wahrscheinlich spürte sie, daß ich wieder Ärger machen würde.
    »Ja, danke. Ich würde gern mit Sakai-san sprechen.«
    »Er ist heute nicht hier.«
    »Ist heute sein freier Tag?« Es war unvernünftig gewesen, vor meiner Abreise nicht anzurufen, aber schließlich hatte ich ihn ja überraschen wollen.
    »Nein. Er ist weg.«
    »Weg? Wo ist er denn – in der Bank oder beim Mittagessen?«
    »Bitte, Sie können nicht hier im Lagerraum bleiben.« Die junge Frau dirigierte mich aus dem Lager heraus und ließ mich nicht aus den Augen, während ich ganz langsam hinunter zum Service-Schalter ging. Ich verlangte nach dem Geschäftsführer und zückte meine Visitenkarte, als ein Mann über fünfzig mit gehetztem Blick aus einem der hinteren Räume kam.
    »Ah! Sie sind sehr pünktlich, aber wir sind noch nicht bereit für Bewerbungen.« Der Mann gab mir meine Visitenkarte zurück.
    »Bewerbungen?« wiederholte ich.
    »Sie wollen sich doch um die Antiquitätenzulassung bewerben, oder? Es hat sich wohl herumgesprochen, daß wir eine zu vergeben haben. Heute vormittag haben schon zwei Leute hier angerufen.«
    »Nein, nein, ich möchte nur mit Sakai-san sprechen.«
    »Ach, tatsächlich? Nun, ich kann Ihnen nicht sagen, wo er sich im Augenblick aufhält, aber würden Sie uns bitte informieren, wenn Sie ihn finden?«
    »Gibt es denn ein Problem?«
    »Haben Sie gesehen, wie sein Verkaufsraum im Obergeschoß aussieht?« rief er aus.
    »Nun, es waren praktisch keine Möbel da …«
    »Genau. Sakai ist es irgendwie gelungen, seine gesamte Ware zu entfernen, nachdem wir das Gebäude abgeschlossen hatten. Die Antiquitäten hatte er selbst in Kommission genommen, also hat er uns im engeren Sinne nicht bestohlen, aber …« Der Geschäftsführer kratzte an einem Miso-Suppe-Fleck auf seiner Krawatte herum.
    »… aber er hat Ihnen ziemliche Unannehmlichkeiten gemacht«, führte ich seinen Satz zu Ende, um ihm zu zeigen, daß ich auf seiner Seite stand. »Ich habe eine ganz ähnliche Erfahrung mit ihm gemacht. Gestern hat Sakai-san mir eine tansu zu einem bestimmten Preis angeboten, diesen Preis aber erhöht, als eine weitere Kundin sich ebenfalls dafür interessierte. Schließlich habe ich die Kommode für viel mehr Geld gekauft, als sie eigentlich wert ist.«
    »Das ist unangenehm.« Plötzlich wirkte der Geschäftsführer längst nicht mehr so vertrauensvoll wie noch ein paar Minuten zuvor.
    »Sehen Sie selbst, ich habe das alles schriftlich.« Ich legte Mr. Ishidas Gutachten und Mr. Sakais Quittung auf den Ladentisch. Der Geschäftsführer sah sich beide Dokumente an, ohne sie zu berühren. Schließlich meinte er: »Hier steht, daß der Umtausch und die Rückgabe ausgeschlossen sind.«
    »Sie sollten berücksichtigen, daß es sich hier wegen der Betrugsabsicht um besondere Umstände handelt.«
    »Es tut mir wirklich leid, daß Sie einen so schlechten Kauf getätigt haben, Miss Shimura, aber ich muß Sie darauf hinweisen, daß auf der Quittung Sakai-sans Name steht, nicht unserer. Wir haben ihm lediglich einen Verkaufsraum in diesem Gebäude vermietet. Jetzt muß ich mich leider um meinen nächsten Kunden kümmern …«
    Was sollte ich darauf sagen? Ich verließ Hita Fine Arts so von meiner Wut benebelt, daß ich frontal mit einem Fischverkäufer zusammenstieß, der zwei an einer Bambusstange befestigte Eimer auf seiner breiten Schulter balancierte. Wasser ergoß sich über den Gehsteig, und der Mann mußte einen kleinen Krebs wieder einfangen, der ihm entwischt war. Während er das sich heftig wehrende Tier in den Eimer setzte, entschuldigte ich mich, und ich wußte nicht so recht, wen ich am meisten

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