Zuflucht im Teehaus
erschöpft einschlief.
Am nächsten Morgen wachte ich mit pochenden Kopfschmerzen auf. Mein erster Gedanke war: Meine Karriere ist ruiniert. Es gab nur einen Ausweg: Ich muß wieder zurück in die Vereinigten Staaten, meinen Namen ändern und mir ein neues Leben aufbauen, das nichts mit Antiquitäten und Japanern zu tun hat. Das alles jammerte ich Hugh vor, während wir wie immer gemeinsam unter die Dusche gingen.
»Zwei Millionen Yen sind weniger als siebzehntausend Dollar. Da habe ich letztes Jahr mehr Geld an der Börse verloren«, sagte Hugh, als er den Duschkopf auf Massagefunktion einstellte.
Ich drehte mich von dem unerbittlich herabprasselnden Wasser weg und keuchte: »Du verstehst das nicht! Ich habe insgesamt bloß zwanzigtausend Dollar fürs Geschäft. Jetzt muß ich an meine eisernen Reserven, um den Verlust auszugleichen.«
»Wenn du das machst, hast du überhaupt kein Geld mehr. Ich würde dir gern die Kommode abkaufen. Sie gefällt mir wirklich.«
»Nett, daß du mir das anbietest, aber danke, nein.« Ich wollte nicht, daß Hugh meinen Fehler ausbügelte; der Gedanke an den Fahrer des Transporters, der tags zuvor für mein kaputtes Rücklicht bezahlt hatte, bestärkte mich noch in meinem Beschluß.
»Egal, wir müssen das ja nicht jetzt entscheiden«, meinte Hugh. »Warte, bis Mr. Ishida sich die Kommode angeschaut hat. Am Telefon gestern abend hat er mir gesagt, du sollst versuchen, das Ding zurückzugeben.«
»Aber was ist, wenn Hita Fine Arts sie nicht zurücknimmt? Von einer Rückgabemöglichkeit war schließlich nicht die Rede.«
»Dann könntest du immer noch Mrs. Mihori gegenüber zugeben, daß die Kommode nicht so wertvoll ist, wie du gedacht hast. Vielleicht würde sie sie dir ja zum Schätzwert abnehmen. Dann wäre dein Verlust nicht ganz so hoch.«
»Nein! Sie kennt sich sehr gut aus und würde nie eine Fälschung kaufen. Schließlich ist sie Japanerin.«
»Genau wie der Typ, der dir die Kommode angedreht hat.« Hugh begann ganz ruhig, sich zu rasieren.
Darauf fiel mir nichts mehr ein. Ich seufzte laut und vernehmlich und knallte die Duschtür so heftig zu, daß die Seife herunterfiel.
Nachdem Hugh ins Büro gefahren war, ging ich ins Wohnzimmer, um mir die Kommode noch einmal anzuschauen – vielleicht hatte sich über Nacht ja etwas geändert. Doch der krumme Nagel schimmerte immer noch schwarz und unversöhnlich. Einen Augenblick lang hegte ich die Hoffnung, es möge sich bei der tansu-Kommode, die nun in Hughs Wohnung stand, um eine Kopie des Möbelstücks handeln, das ich in dem Laden geprüft hatte. Doch bei genauer Begutachtung kam ich zu dem Schluß, daß ich die Hoffnung begraben mußte.
Als Mr. Ishida um neun Uhr kam, erklärte er mir sofort, daß wir eine Tasse Tee trinken würden, bevor wir irgend etwas anschauten. »Ich habe eine Tüte besten ocha aus Kyoto mitgebracht. Der ist besonders gut für die Nerven«, sagte er und überreichte mir ein in elegantes, dunkelgrünes Papier eingeschlagenes Päckchen, eine Farbe, die signalisieren sollte, daß das Geschenk von Herzen kam.
Ich schätzte zwei Dinge besonders an meinem vierundsiebzigjährigen Freund: Erstens, daß er sich mit Tee auskannte, und zweitens, daß ich in seiner Gesellschaft nicht ausrasten würde wie bei Hugh, weil ich einfach zu viel Hochachtung vor ihm hatte. Meine Stimme blieb ruhig, während wir miteinander den leichten grünen Tee tranken und ich ihm erzählte, was mir passiert war.
»Also hat der Verkäufer nie behauptet, daß die tansu aus der Edo-Zeit stammt?« Mr. Ishidas von Falten zerfurchtes Gesicht wirkte immer ein bißchen skeptisch.
»Stimmt, hat er nicht. Und als mir aufgefallen ist, daß die Schubladen mit Sandpapier abgerieben waren, hat er geschworen, daß er selbst nichts daran verändert hat.«
»Interessant.« Mr. Ishida strich sich übers Kinn.
»Ich zeige Ihnen, was ich meine.« Ich konnte es kaum erwarten, sein Urteil zu hören.
»Nicht so schnell, nicht so schnell. Ich bin ein wenig müde von meinen morgendlichen Tai-Chi-Übungen. Bitte lassen Sie mich meinen Tee in Ruhe genießen.«
Zwanzig Minuten später erklärte Mr. Ishida, er sei nun bereit, sich die Kommode anzusehen. Er betrachtete sie von allen Seiten und beugte sich darüber, um die Schubladen herauszuziehen und einen genaueren Blick auf den Hohlraum dahinter zu werfen. Mit Hilfe meines kuginuki entfernte er die restlichen Metallteile in der Hälfte der Zeit, die ich dazu benötigt hätte. Dann
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