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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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immerhin hatte sie den ersten Schritt getan und war auf meine Party gekommen. Als sie einen Augenblick allein war, gesellte ich mich zu ihr.
    »Es ist schon merkwürdig, daß die Leute sagen, der Tokyo Tower sei eine Kopie des Eiffelturms«, meinte sie mit einem. Blick auf die Silhouette der Stadt. »Als mein Mann und ich eine Reise nach Frankreich gemacht haben, waren wir beim Anblick des Originals ziemlich schockiert.«
    »Der Tokyo Tower ist eine ausgezeichnete Kopie. Genau wie die tansu ,die ich für Sie gekauft habe«, sagte ich.
    »Meine Tochter hat mir erzählt, wie ungünstig dieser Kauf sich für Sie ausgewirkt hat. Vielleicht hätte ich die tansu doch nehmen sollen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Als Händler muß man zu seinen Fehlern stehen. Das ist Teil des Lernprozesses.«
    »Das ist eine sehr kluge Einstellung«, sagte Mrs. Mihori lächelnd, und ich hatte das Gefühl, daß sie sich ein wenig entspannte. »Das ist wie im Zen-Buddhismus. Unsere Novizen machen viele Fehler auf dem Pfad zur Erleuchtung. Aber dieser Pfad hält auch kleine Segnungen bereit, wie zum Beispiel Ihre Freundschaft mit Akemi.«
    »Wirklich?« Ich hatte gedacht, unser gemeinsames Joggen sei geheim, aber vielleicht hatte ich mich da getäuscht.
    »Meine Tochter hat nicht viele soziale Kontakte. Es tut ihr gut, mit einer jungen Frau befreundet zu sein.«
    »Ach?« sagte ich.
    »Ich möchte Ihnen sagen, daß Sie uns jederzeit willkommen sind. Nächstes Mal sollten Sie nach dem Laufen ein Bad nehmen! Das Wasser in Akemis Dusche und Bad kommt aus einer heißen Quelle …«
    Das Geräusch zersplitternden Glases unterbrach Nana Mihori.
    »Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte ich und stellte mein eigenes Glas weg.
    »Rei-san, Sie haben Bedienstete, die sich um solche Dinge kümmern!« sagte Mrs. Mihori. »Als Gastgeberin müssen Sie lernen, Verantwortung an andere zu delegieren.«
    »Ich habe nicht sonderlich viel Erfahrung auf diesem Gebiet.« Eine zuknallende Tür ließ mich zusammenzucken. Die Gäste hörten zu reden auf, und ich bahnte mir einen Weg zum Arbeitszimmer. Als ich durch die Tür trat, sah ich zwei zerbrochene Biergläser auf dem Parkettboden liegen.
    »Man muß nur die Scherben wegräumen. Bitten Sie eine der Bediensteten, ein Handtuch zu holen«, riet Mrs. Mihori mir.
    Auch Hugh war schon in dem Zimmer. Er versuchte vergebens, die Gäste ins Wohn- und Eßzimmer zurückzuscheuchen. Erst jetzt sah ich Akemi Mihori auf Angus’ Futon liegen. Sie wirkte leblos. Nao Sakai fiel mir wieder ein, und mir wurde schlecht.
    »Was hast du gemacht?« fragte Hugh Angus, der die Scherben aufhob.
    »Nichts. Woher sollte ich denn wissen, daß sie so reagieren würde?«
    Irgendwie gelang es mir, mich zu Akemi durchzukämpfen. Ich berührte ihr Handgelenk. Es war warm. Als ich ihren Puls spürte, war ich ziemlich erleichtert.
    »Was ist denn passiert? Können Sie mich hören?« fragte ich leise auf japanisch.
    »Mmm.« Akemis Augenlider flatterten.
    »Ist sie auch Diabetikerin?« fragte ich Nana Mihori, die versuchte, mich beiseite zu drücken.
    »Aber nein.« Nana Mihori nahm ihre Tochter in die Arme.
    »Sie ist einfach umgekippt«, sagte Angus ein wenig nervös.
    »Die Farben … schiebt diese Farben weg«, krächzte Akemi auf japanisch.
    Nana Mihori sagte mit tränenerstickter Stimme: »Meine Tochter ist sehr krank. Ich entschuldige mich dafür, daß ich Unruhe in Ihre Party gebracht habe.«
    »Bringt mich weg von hier«, stöhnte Akemi. »Die Farben, sie sind in meinem Kopf. Bitte …«
    »Ich hole den Arzt, der im zehnten Stock wohnt«, sagte Hugh. »Und in der Zwischenzeit bitte ich alle Anwesenden, Rücksicht zu nehmen und Akemi allein zu lassen.«
    Zitternd half ich ihm, die Schaulustigen an der Frau vom Partyservice vorbeizuschieben, die damit beschäftigt war, die Scherben einzusammeln und das Bier aufzuwischen. Die Gäste entfernten sich widerstrebend. Kaum waren sie draußen, als auch schon die ersten Gerüchte aufkamen. Die Frau eines salaryman wiederholte das, was ich über Diabetes gesagt hatte. Ein Mann meinte, Akemi habe wohl zu hart für ihr Comeback trainiert. Wieder ein anderer gab dem Alkohol die Schuld – warum hätte sie sonst das Bierglas fallen lassen?
    Als der Arzt eintraf, begleitete ich ihn ins Arbeitszimmer und ging dann in den Wohn- und Eßbereich, um zu sehen, wie die Party lief. Die Anwesenden unterhielten sich nun gedämpfter, und Angus’ Freunde waren verschwunden. Ich sah, daß Hugh auf dem Balkon mit

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