Zuflucht im Teehaus
kennt alle wichtigen Leute der britischen Unternehmen in Tokio. Kommen Sie mit, dann stelle ich Sie vor.«
Hugh liebte es, Leute zusammenzubringen, Leben zu verändern. Oft funktionierten seine Pläne sogar. Er präsentierte Mohsen als seine neueste Errungenschaft für den internationalen Handel, und ich holte mir ein weiteres Glas Wein. Zum erstenmal an jenem Abend wurde ich ein bißchen ruhiger. Dann fiel mir plötzlich etwas auf: Die gedämpften Jazzballaden von Holly Cole, die ich für den Abend gewählt hatte, waren ausgetauscht worden gegen das Jaulen von Nine Inch Nails. Angus lehnte am Geländer des Balkons, rauchte eine Zigarette und unterhielt sich mit ein paar jungen Leuten in dunkler Kleidung; ihre Frisuren reichten von grünen Bürstenschnitten bis zu orangefarbenen Dreadlocks. Als ich sie mir genauer ansah, erkannte ich ein paar europäische Gesichter aus dem Club Isn’t It, darunter auch ein blasses, kränkliches Mädchen aus Neuseeland, das ich schon öfter vor einer Strip-Bar um Kunden hatte werben sehen.
Hughs Geschäftsfreunde hielten sich von den jungen Leuten fern, schienen die neue Musik aber positiv aufzunehmen. Masuhiro Sendai, der Leiter von Sendai Limited, wippte im Takt mit dem Fuß, und ein paar Frauen hatten zu tanzen begonnen. Eigentlich hatte ich Angus sagen wollen, er solle meine Kassette wieder einlegen, doch dann fand ich, daß die hektische Musik gar nicht so schlecht war. Sie brachte ein bißchen Stimmung in die Party. Akemi Mihori, die gerade gekommen war, winkte mir freudig strahlend zu. Ich machte mich auf den Weg zu ihr, blieb aber stehen, als ich Nana Mihori neben ihr sah. Einer von den Sendai-Leuten trat auf Nana zu, die ihn lächelnd begrüßte. Offenbar waren sie alte Freunde. Akemi löste sich von den beiden und kam zu mir.
»Tut mir leid, daß ich so spät komme und noch dazu mit meiner Mutter.« Sie zupfte ein wenig nervös an ihrem engen Jerseykleid herum. Es stand ihr gut und brachte ihren muskulösen Körper wunderbar zur Geltung. »Sie hat rausgefunden, was ich vorhabe, und wollte mich unbedingt begleiten. Tut mir leid.«
»Na, das werde ich schon überstehen.« Ich fuhr mir mit der Hand über die feuchte Stirn. »Was wollen Sie trinken? Grünen Tee oder Limonade?«
»Ich hätte gern ein bißchen was Stärkeres. Genau! Sie haben Guinness – toll.«
»Sie trinken Bier?« Und ich hatte Akemi für eine Gesundheitsfanatikerin gehalten. Ich schenkte das Guinness, das Hugh kühl, aber nicht eiskalt gehalten hatte, in ein hohes Glas. Dann nippte ich an meinem dritten Glas Wein.
»Guinness hat ziemlich viel Eisen, haben Sie das schon gewußt? Das ist sehr gesund für Frauen«, sagte Akemi. »Hey, ist der Typ mit den langen Haaren auf dem Balkon Ihr Freund?«
Ich mußte lachen. »Nein, das ist sein jüngerer Bruder Angus.«
»Eine Frau in einer Wohnung mit zwei Männern … das ist doch fast wie im Märchen, finden Sie nicht auch? Angus hat Ähnlichkeit mit dem Leadsänger von Simply Red. Aber mir persönlich wäre er nicht kräftig genug.« Akemi nahm einen großen Schluck Bier.
»Ich dachte, Sie hassen Männer!« platzte es aus mir heraus.
»Ich schlafe mit Männern, aber ich lasse mich nicht von ihnen aushalten. Das ist ein großer Unterschied.«
Eine Gruppe von Sendai -salarymen trat auf uns zu, um Akemi um ein Autogramm zu bitten. Akemi erfüllte diesen Wunsch artig. Während sie die Fragen der Männer in höflichem Japanisch beantwortete, verlor ihr Gesicht den natürlichen Ausdruck, den es zuvor gehabt hatte. Ja, sie sei mit mir befreundet. Nein, sie nehme an keinen Wettkämpfen mehr teil, es sei an der Zeit, die jüngere Generation ihr Glück versuchen zu lassen.
Miss Wada, die sich um Essen und Getränke kümmerte, fragte mich, ob sie noch mehr Alkohol kommen lassen solle – es war erst sieben, und die Leute hatten bereits drei Viertel des Weins getrunken.
»Ja, lassen Sie auf jeden Fall noch mehr Wein kommen«, sagte ich, weil ich das Gefühl hatte, ebenfalls noch ein Glas zu brauchen. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, daß Akemi sich von den salarymen gelöst hatte und sich nun mit Angus unterhielt. Sie schien das Gespräch im Griff zu haben; es amüsierte mich zu sehen, daß er sozusagen mit dem Rücken zur Wand stand und etwas mit hektischen Handbewegungen zu erklären versuchte. Was wollte sie bloß aus ihm herausbekommen?
Ich riß den Blick von ihnen los, um mich nach Nana Mihori umzusehen. Irgendwie mußte ich mit ihr Frieden schließen;
Weitere Kostenlose Bücher