Zuflucht im Teehaus
seien. Ich saß auf dem Sofa, trank mein erstes Glas Wein und versuchte die Auseinandersetzung zu vergessen, die ich gerade mit Hugh gehabt hatte.
»Wo ist dein neues Kleid?« hatte er gefragt, als ich in einem kleinen schwarzen Cocktailkleid aus dem Schlafzimmer kam, das ich schon unzählige Male getragen hatte.
»Tut mir leid, aber ich hatte keine Zeit, mir was nähen zu lassen.« Offen gestanden, hatte ich die leuchtend rote Seide, die er mir aus Thailand mitgebracht hatte, völlig vergessen.
»Ich hab dir doch die Nummer von Winnies Schneiderin gegeben. Hast du sie überhaupt angerufen?« Hugh lehnte in seiner grauen Flanellhose und dem gestärkten Hemd von Turnbull and Asser an der Arbeitsfläche. Er hatte einen Hemdknopf geöffnet – das einzige Zugeständnis an den informellen Charakter des Abends.
»Du weißt doch, daß ich auch gern ein neues Kleid gehabt hätte«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Ich gehe zur Schneiderin, wenn ich nicht mehr ganz so viel um die Ohren habe.«
»Das Ding, das du da trägst, ist das ein besonderer Jahrgang oder was?« Er kräuselte verächtlich die Lippen.
»Das ist von Joseph Magnin, und meine Mutter hat 1968 ein kleines Vermögen dafür bezahlt! Sie hat es zu einigen ziemlich wichtigen Anlässen getragen.«
»Erzähl das bitte nicht meinen Kollegen, ja?« herrschte Hugh mich an, bevor er den ersten Gästen, einigen Managern von Sendai, salarymen ,wie sie in Japan heißen, und ihren Frauen die Tür öffnete. Ein paar von ihnen hatten ihre Babysitter angeflunkert, daß sie zu einer Hochzeit eingeladen seien, weil es als unschicklich gilt, wenn Frauen ihre Kinder wegen einer Party im Stich lassen.
»Nehmen Sie sich doch bitte etwas zu essen«, sagte ich und führte sie zum Büfett, auf dem nicht nur sashimi ,sondern auch mit Ingwer marinierte Shrimps, ein Salat aus Reisnudeln und Gemüseschnitzen sowie verschiedene eingelegte Gemüse auf Bambusblättern auf die Gäste warteten. Wie vermutet, gefiel den Frauen eine Landschaft aus Reis mit Essiggeschmack, geschmückt mit gegrilltem Aal und Lotuswurzelbergen sowie Kirschbäumen aus pinkfarbenen Ingwerscheiben und schwarzem Seetang, am besten. Später servierten Miss Wada und ihre Helferinnen Kaffee, Tee und Honigmelone mit Erdbeeren, Kiwis und Mangos und dazu ein Tablett mit Windbeuteln, die meine Tante ein paar Stunden zuvor vorbeigebracht hatte, sowie Schokoladenplätzchen, die Angus überraschenderweise am Nachmittag gebacken hatte.
»Kein Fleisch? In Japan erwarten die Gäste, daß man für so eine Einladung ein bißchen Geld ausgibt«, erklärte mir Winnie Clancy, die hinter mir stand. Als ich mich zu ihr umwandte, sah ich ihr geschmackvolles, aber ziemlich langweiliges blaues Etuikleid aus blauer Seide und war froh, daß ich nicht zu ihrer Schneiderin gegangen war.
»Von dem Roastbeef, das Sie Hugh während meiner Abwesenheit gemacht haben, ist noch genug im Kühlschrank, aber ich hatte Angst, daß es nicht mehr frisch genug ist für die Gäste.« Ich ließ mich nicht von ihr einschüchtern.
»Es wundert mich, daß überhaupt noch was von dem Roastbeef übrig ist! Hugh und ich haben zusammen gegessen – nur wir beide, Piers mußte nach London -; er hat sich sogar eine zweite Portion geben lassen, so gut hat’s ihm geschmeckt. Ich an Ihrer Stelle würde mich mehr nach seinen Wünschen richten.«
Ich war froh, als ich Mohsen sah und mich von ihr abwenden konnte. Offenbar hatte er sich einen Anzug ausgeliehen. Die Ärmel waren ein wenig zu lang, aber er war perfekt gebügelt. Mohsen wirkte wie ein Geschäftsmann aus dem Mittelmeerraum.
»Sie sehen anders aus, Miss Shimura«, sagte er lächelnd, als ich ihn begrüßte. »Ich finde, Sie sollten immer Kleider tragen und keine Sporthosen.«
»Ganz Ihrer Meinung.« Hugh war zu mir getreten. »Ich bin Hugh Glendinning, Reis Freund. Ich arbeite als Anwalt für Sendai Limited, wo auch die meisten anderen Gäste hier beschäftigt sind. Sie müssen Mohsen sein.«
»Ja, mein Name ist Mohsen Zavar.« Er wirkte ein bißchen verwirrt, als Hugh ihm die Hand hinhielt, ergriff sie aber und fügte hinzu: »Im Augenblick bin ich auf der Suche nach einer vernünftigen Arbeit.«
»Rei hat mir erzählt, daß Sie Buchhalter sind – angesichts Ihrer ausgezeichneten Sprachkenntnisse könnte ich mir gut vorstellen, daß Sie einen Job bei einer der multinationalen Ölgesellschaften finden. Piers Clancy, das ist der blasse Mann, der sich gerade beim Fenster mit seiner Frau streitet,
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