Zuflucht im Teehaus
erzählte mir von einer Ausstellung im Kamakura Museum of Art, und ich machte mich auf den Weg dorthin.
Zen-Kunst gehört nicht zu meinen Favoriten. Vielleicht sind die verschnörkelten Zeichen auf den buddhistischen Schriftrollen beredt in ihrer Einfachheit, aber die meisten enthüllen wenig über die Japaner, ihr Leben oder die Gegend, aus der sie kommen; sie erzählen nicht die Geschichten, für die ich mich interessiere. Die Werke der wenigen wirklich talentierten und bekannten Mönche erzielen hohe Preise; da es aber relativ leicht ist, ein gefälschtes Namenssiegel auf das Werk eines anderen zu drücken, ist der Erwerb von Zen-Kunst ein ziemlich riskantes Geschäft.
Eine Reihe von Schriftrollen, eine Leihgabe des Tokyo National Museum, jedoch war unbestreitbar schön. Die Choju Giga oder »umhertollenden Tiere« waren eine boshafte Satire auf die buddhistische Gesellschaft, in der Affen, Frösche und Kaninchen in ihren Spielen religiöse Riten vollzogen. Wenn nur die Tiere, die mich die ganze Nacht wachgehalten hatten, auch so putzig gewesen wären.
Die Schriftrolle mit den Tiermotiven brachte mich auf die Idee, mir die Zen-Kunst-Sammlung im Haupttempel von Horin-ji anzusehen, aber zuerst mußte ich mich mit Mrs. Kita treffen. Ich trug immer noch meine Jeans, die für meinen Geschmack zu leger wirkte. Schade, daß ich so überstürzt gepackt hatte, denn ich hatte einfach kein Geld, mir neue Kleider zu kaufen.
Mrs. Kita erkannte mich nicht, als sie aus der Kamakura Station herauskam, und ging an mir vorbei. Ich hastete ihr nach und mußte mir dabei einen Weg durch eine Gruppe von Schülern bahnen.
»Kita-san, Kita-san«, rief ich ihr nach, bis sie sich umdrehte und mein Gesicht sah. Da fiel mir mein blaues Auge wieder ein, und ich begann ihr stotternd die Geschichte von meinem nächtlichen Sturz zu erzählen.
»Sind Sie kräftig genug, um zu arbeiten? Vielleicht sollten Sie lieber ins Krankenhaus.« Sie sah mich zweifelnd an.
»Nein, nein, natürlich kann ich arbeiten.« Ich war sogar ganz versessen darauf.
Mrs. Kita schien meine Geldknappheit zu erahnen, denn in dem kleinen Crêpe-Laden in der Komachi-dori bestand sie darauf, den Tee und die Zitronenpfannkuchen zu bezahlen. Wir betrachteten das Buch, das sie über Zen-Schriftrollen mitgebracht hatte, und ich lenkte das Gespräch vorsichtig auf den Preis, den sie bereit war zu zahlen.
»Sie haben so viel Erfolg gehabt mit meinen hibachi .Wenn Sie nur … um einen ähnlichen Betrag … etwas Ähnliches wie das hier in diesem Buch …« Mrs. Kita schwieg, offenbar peinlich berührt, weil sie über Geld sprechen mußte.
»Nicht einmal das Tokyo National Museum könnte sich heutzutage eine Kamakura-Schriftrolle aus dem dreizehnten Jahrhundert leisten«, sagte ich. »Selbst wenn wir den Betrag verdoppeln, den Sie für die hibachi ausgegeben haben, müßten wir uns mit einem Werk aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert zufriedengeben. Aber«, fügte ich hastig hinzu, »so schlimm ist das nicht. Aus dieser Zeit gibt es sehr hübsche farbige Rollen, die meiner Meinung nach sehr gut in eine moderne Wohnung passen. Und natürlich wäre die Schriftrolle auch in einem sehr viel besseren Zustand als eine alte.«
»Natürlich.« Sie spielte mit ihrem Pfannkuchen herum. Offenbar hatte sie keinen Hunger. Ich hatte den meinen bereits verspeist und hätte auch noch den ihren geschafft.
»Jetzt ist eine gute Zeit für einen solchen Kauf. Ich dachte mir, ich sehe mich einmal hier in der Gegend um. Ich weiß, daß Sie den Laden in Hita sehr schätzen, aber leider hat die Antiquitätenabteilung geschlossen.«
» Heh? Wo ist Hita?«
»Ich spreche von Hita Fine Arts in Hakone. Nana Mihori hat gesagt, Sie hätten dort etwas gekauft – vielleicht eine tansu? « Das hatte Nana Mihori mir erzählt, als ich im Stau gestanden war. Wegen Mrs. Kitas Empfehlung hatte ich seinerzeit einen Umweg machen müssen.
»Ich habe keine tansu .Wahrscheinlich verwechseln Sie mich mit einer anderen Kundin«, sagte Mrs. Kita ein wenig beleidigt. Offenbar war ihr nicht klar, daß Nana Mihori mich angelogen hatte.
»Das tut mir leid. Normalerweise verwechsle ich die Menschen nicht, aber heute habe ich meine Unterlagen nicht bei mir.«
»Ich verstehe. Und wie geht es den Mihoris?«
»Was?« Einen Augenblick lang glaubte ich, sie wisse, daß ich unbefugt auf ihrem Tempelgelände wohnte. Dann erst wurde mir klar, daß sie auf den neuesten Klatsch über Akemis Ohnmacht auf meiner Party aus
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