Zuflucht im Teehaus
herumzupfte, als ich mich zu ihr gesellte. »Wir müssen in zwanzig Minuten im rikisha- Stand sein. Gehen Sie in die Dusche!« Da ich augenblicklich ein Leben ohne eigenes Bad führte, hatte ich keine Lust, so schnell wieder aus der schönen, heißen Dusche herauszukommen. Ich war noch dabei, mich abzutrocknen, als Akemi mir die rote yukata und den obi zuwarf.
»Ich brauche doch auch Unterwäsche!« protestierte ich.
»Vergessen Sie’s! Die Frauen früher haben auch keine Unterwäsche getragen. Außerdem sieht das sowieso niemand.« Akemi setzte die Bärenmaske auf.
Natürlich bedeckte die leichte yukata meinen Körper vom Hals bis zu den Knöcheln, aber der Gedanke daran, daß ich sie verlieren könnte, beunruhigte mich. Was war, wenn wir einen Unfall hatten und ich von dem Festwagen fiel? Der Gedanke, daß zwanzigtausend Touristen das mitbekommen könnten, gefiel mir überhaupt nicht. Ich zog den noch ein wenig feuchten Slip, den ich tags zuvor im Bach gewaschen hatte, aus meinem Matchbeutel.
»Über das hier sollten Sie sich mehr Gedanken machen!« sagte Akemi und hielt mir ein Paar traditioneller, fast zehn Zentimeter hoher geta -Sandalen aus poliertem Holz hin. Ich schlüpfte hinein. Es würde mich Mühe kosten, darauf das Gleichgewicht zu halten.
»Ich muß mit den Dingern bis zum Tempelausgang gehen? Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.«
»Sie sollen ja nicht rennen, sondern gehen.« Akemi setzte mir die Fuchsmaske auf und streifte das Plastikband über meinen feuchten Hinterkopf. Wenn meine Haare trocken waren, sahen sie sicher ganz verdrückt aus. »Perfekt!«
»Bitte erklären Sie mir noch einmal, warum ich das tun soll. Ich dachte, ich soll mich im Wald unsichtbar machen.«
»Nun sind Sie so lange hier und wollen mir nicht einmal diesen kleinen Gefallen tun?« Akemi sah mich hinter ihrer Bärenmaske hervor an.
»Da läuft doch noch etwas anderes, oder? Sie und Ihre Mutter …« Ich wollte über das Gespräch im Tempelgarten reden.
Doch Akemi winkte ab. »Darüber können wir uns jetzt nicht unterhalten. Ich verlange von Ihnen nur, daß Sie neben mir sitzen, nichts sagen und die Augen offen halten.«
Ich stakste meiner frisch gewonnenen Feindin auf den hohen Sandalen über das Tempelgelände hinterher. Da ich immer schon ein bißchen größer hatte sein wollen, freute ich mich über die zusätzlichen zehn Zentimeter, aber ich wußte auch, daß ich am Abend schreckliche Blasen haben würde.
Wir wurden der sechsten rikisha in einer Reihe von ungefähr dreißig zugewiesen, alle wunderschön mit Luftschlangen, Blumen und Sternen geschmückt. Als ich auf einem Kissen neben Akemi Platz nahm, fragte mich niemand, was ich da tue. Unser rikisha- Fahrerwar Akemis Trainingspartner. Es überraschte mich, daß er fröhlich mit der Frau schäkerte, die ihn noch eine Woche zuvor auf die Matte geworfen hatte. Er trank Sake und reichte Akemi die kleine Flasche.
»Nun, wieviel Sake muß ein Mann trinken, um seine Manneskraft zu verlieren?« neckte Akemi ihn. Ein paar der maskierten Damen in der rikisha kicherten. Ihre tiefen Stimmen und ein paar stark behaarte Beine ließen mich vermuten, daß sie nicht alle weiblichen Geschlechts waren.
Als wir nach Süden ins Stadtzentrum rollten, wurden es immer mehr Zuschauer. Ich staunte über die Kirschbäume, die die Bürgersteige säumten und mit bunten Luftschlangen und origami -Schmuck behängt waren. Dann schwenkte ich einen Bambusstab mit washi -Papierschmuck und kam mir vor, als gehöre ich zu einer bizarren königlichen Familie. Durch die schmalen Augenschlitze meiner Maske ließ ich den Blick über die Menge schweifen – Tausende von Japanern, die alle bunte yukatas ganz ähnlich der trugen, die ich anhatte. Beim Asahi-Bierstand entdeckte ich zwei rotblonde Köpfe, die sich deutlich von ihrer dunkelhaarigen Umgebung abhoben. Es waren die Glendinning-Brüder. Da fiel mir wieder ein, daß Angus Hugh gedrängt hatte, ihn zu dem Fest zu begleiten. Offenbar hatte er wieder einmal seinen Willen durchgesetzt.
Mein erster Impuls war, mich zu ducken, aber wahrscheinlich wäre das zu auffällig gewesen. Statt dessen hörte ich auf zu winken und senkte den Kopf.
»Sie sehen merkwürdig aus«, flüsterte Akemi mir zu.
»Da drüben sind Hugh und Angus! Beim Asahi-Bierstand«, murmelte ich auf englisch.
»Wer redet hier von Bier? Diese rikisha macht Werbung für den besten Sake von Kamakura!« bellte eine von den männlichen Prinzessinnen.
»Ja, gebt meiner aufgeregten
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