Zuflucht im Teehaus
Tempels gegangen, wo traditionelle Sommerkostüme und Masken aufbewahrt wurden. Ich würde eine Fuchsmaske und eine sommerliche, rotgeblümte yukata tragen. Akemis yukata war mädchenhaft rosafarben und gelb und paßte überhaupt nicht zu der Bärenmaske, die sie tragen wollte. Zusammen mit anderen bekannten Persönlichkeiten würden wir auf einem rikisha- Wagendurch Kamakura rollen, den ein kostümierter Mann ziehen würde – die attraktivsten Männer der Stadt übernahmen bei dem Fest alle eine Aufgabe, hatte Akemi mir erklärt.
Ein letztes großes Fest, und was dann? Ich mochte gar nicht daran denken. Jetzt fiel mir wieder ein, wie Akemi im dojo mit ihrem Partner gerungen hatte. Als er einen Augenblick lang abgelenkt gewesen war, hatte sie ihn auf die Matte geworfen. Sie wartete auf den passenden Moment und ging dann skrupellos vor.
Ich konnte Lieutenant Hata von dem Gespräch erzählen, das ich soeben belauscht hatte, aber viel würde er damit nicht anfangen können. Nana hatte gesagt, sie sei ziemlich durcheinander und könne niemandem vertrauen. Und Akemi hatte ihrer Mutter geraten, sich auf das Fest zu konzentrieren; danach würden sie sich um das Problem kümmern.
Ich würde an dem Fest teilnehmen und die Augen offen halten. Mehr konnte ich nicht tun.
20
Zur Abwechslung war Yoko Maedas Laden einmal voll, als ich am Mittag des Tages, an dem das Tanabata-Fest stattfinden sollte, dort eintraf. Touristen ließen die Finger über handbestickte obis gleiten oder bewunderten den Bambusstern und den Blumenschmuck, den wir an der Decke angebracht hatten.
»Heute haben die Kinder schulfrei, deshalb ist meine Enkelin hier. Wir werden alle zusammenarbeiten«, sagte Yoko. Eine Siebenjährige beäugte mich schüchtern und wandte sich dann wieder ihrem Tamagotchi zu. Tamagotchis sind ausgesprochen beliebt bei japanischen Kindern, doch ich finde sie langweilig, besonders im Vergleich zu Yoko Maedas alten Puppen. Ich hätte Lust gehabt, Yokos Enkelin in die Puppenabteilung zu locken, aber an jenem Nachmittag war so viel los, daß ich kaum Zeit hatte, die Fragen der Touristen zu beantworten. Ich konnte mir nicht erklären, warum an dem Tag so viele von ihnen in den Laden gekommen waren, bis mir jemand sagte, daß die Green and Pristine Society anläßlich des Tanabata-Festes eine Flotte von Bussen bezahlt hatte, die die Touristen zu Tempeln und Läden brachte. Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich natürlich selbst damit gefahren, statt mehr als drei Kilometer in der glühenden Hitze zu Fuß zu gehen.
Gegen vier Uhr, als das Fest begann, wurde es etwas ruhiger. Mrs. Maeda sagte, ich könne gehen, und ich erwischte den letzten Bus, der in Richtung Tempel fuhr. Zusammen mit den Touristen stieg ich vor dem Haupteingang aus, verdrückte mich dann aber in den Wald, so daß ich keinen Eintritt bezahlen mußte.
Akemi hatte mir im Teehaus einen Zettel hingelegt: »Ich habe Ihr Kostüm. Kommen Sie zum Duschen ins dojo .« Leichter gesagt als getan. Zuerst mußte ich in den Privatbereich des Tempelgeländes gelangen. Ich steckte meinen Kulturbeutel in meinen Matchbeutel, hoffte, daß Akemi mir ein frisches Handtuch geben würde, und machte mich auf den Weg zum dojo .
»Feiern Sie auch das Tanabata-Fest?« erschreckte mich Wajins Stimme, als ich die Lichtung zwischen dem Wald und dem Privathaus der Mihoris erreichte. Er saß auf einem Felsen im Steingarten. »Wie finden Sie mein Kostüm?« fragte er und stand auf, um mir seine türkisfarbene Robe zu zeigen.
»Ganz schön auffallend«, flüsterte ich. »Bitte, sprechen Sie nicht so laut. Die Eltern von Akemi wissen nicht, daß ich hier bin.«
»Was wollen Sie tragen, einen von Akemis Judo-Anzügen?«
»Nein, ich werde mich traditionell kleiden. Aber bleiben Sie mir vom Leib, ja? Ich möchte nicht auffallen.«
»Dann sollten Sie eine Maske tragen.« Er sah mich mit verschlagenem Blick an. »Normalerweise verbergen die Feiernden ihr Gesicht hinter einer Tiermaske.«
»Das weiß ich«, sagte ich. »Ich gehe als Fuchs.«
»Das klügste Tier von allen!«
»Ich muß jetzt wirklich los«, sagte ich und hastete in Richtung dojo .Dabei dachte ich, daß auch Wajin sich verdrücken sollte. Welches Recht hatte ein einfacher Mönch schließlich, sich ständig in der Nähe des Gebäudes aufzuhalten, in dem der Klostervorsteher wohnte? Wajin war auch nicht wie ein Gärtner gekleidet gewesen.
»Das wurde ja auch langsam Zeit!« rügte Akemi mich, die gerade an ihrer hübschen yukata
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